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Rede zum FDP-Entwurf zur Änderung des Stammzellgesetzes

Rede zur ersten Beratung des von der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes (Drs. 16/383)

01.02.2007

Rene Röspel (SPD):
Am 30. Januar 2002 fand im Bundestag die Grundsatzdebatte zum Thema Stammzellforschung und Embryonenschutz statt. Eine Vielzahl von Fragen wurde in einer sehr ernsthaften Debatte angesprochen: Wann beginnt menschliches Leben? Ab wann kommt menschlichem Leben der grundgesetzlich garantierte Schutz der Menschenwürde zu? Kann es gerechtfertigt sein, dass menschliches Leben (auch in seiner frühesten Form) zu Forschungszwecken zerstört wird? Gibt es Alternativen zur embryonalen Stammzellforschung?

Für diese parlamentarische Debatte und für die öffentliche Diskussion gab es eine ganze Reihe guter theoretischer Grundlagen verschiedener Herkunft. Umfassende Bewertungen der juristischen Hintergründe, des naturwissenschaftlichen und medizinischen Sachstands, möglicher Entwicklungen und der ethischen Problematik wurden unter anderem von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, durch Stellungnahmen der Kirchen, Forschungsorganisationen und der Wirtschaft geliefert.

Die Antworten und Beiträge von 40 Abgeordneten fielen unterschiedlich aus und basierten auf den individuellen Wertehaltungen. Zur Abstimmung standen drei Anträge: die Ablehnung der Forschung mit embryonalen Stammzellen, deren begrenzte Zulassung und ein Antrag, der einen begrenzten Import von Stammzelllinien zulassen wollte.

Die sehr intensive Diskussion von mehr als zwei Jahren mündete letztlich in einer Entscheidung des Bundestages für das Stammzellgesetz, das es erlaubt, vor dem Stichtag 1. Januar 2002 hergestellte embryonale Stammzelllinien unter bestimmten Bedingungen aus dem Ausland zu importieren. Auch wenn ich gegen die embryonale Stammzellforschung war und bin, habe ich das Stammzellgesetz wie viele andere mitgetragen, um es zu einem starken Kompromiss zu machen. Das am 1. Juli 2002 in Kraft getretene Stammzellgesetz gibt deutschen Forschern die Möglichkeiten, um die sie gebeten hatten. Es hat die gesellschaftliche und parlamentarische Debatte in einer ethisch umstrittenen Frage befriedet und in ruhige Bahnen gelenkt. Wer diesen starken, nicht einmal fünf Jahre jungen Kompromiss aufkündigen will, braucht sehr gute Gründe.

Die FDP will mit ihrem vorgelegten Antrag diesen Kompromiss aufheben. Nachvollziehbare - geschweige denn gute - Gründe aber liefert sie nicht. Die FDP spricht in ihrem Antrag davon, dass bei der embryonalen Stammzellforschung die Entwicklungen zeigten, dass die Aussichten auf neue Heilungsmethoden für schwerste Erkrankungen wie zum Beispiel Herzinfarkt und Multiple Sklerose am größten sind. Ist das wirklich so?

In den letzten Jahren hat es bereits gigantische Investitionen in die Stammzellforschung gegeben. Aus dem Bundeshaushalt der USA wurden seit 2001 130 Millionen US-Dollar für die Forschung mit embryonalen Stammzellen ausgegeben. Der US-Bundesstaat Kalifornien stellt 3 Milliarden US-Dollar für eine Stammzellinitiative für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung. Davon sind allein 300 Millionen US-Dollar für humane embryonale Stammzellen vorgesehen - ein Programm für adulte Stammzellen ist allerdings nur angekündigt. Großbritannien förderte die Stammzellforschung bis 2005 mit jährlich 40 Millionen Euro, ab 2006 sogar mit 75 Millionen Euro jährlich. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist nicht untätig geblieben. Über das Bundesministerium für Bildung und Forschung wurden seit 1999 13 Millionen Euro und über die Deutsche Forschungsgemeinschaft über 50 Millionen Euro für Stammzellforschung ausgegeben. Allerdings: Der Großteil der deutschen Mittel wird für die ethisch unproblematische adulte Stammzellforschung verwendet.

Sieht man sich vor diesem Hintergrund die Ergebnisse an, wie sie der Stellungnahme der DFG, dem Stammzellbericht oder der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes entnommen werden können, wird deutlich, dass es trotz der immensen vom Ausland eingesetzten Mittel keinerlei therapeutischen Ansätze mit embryonalen Stammzellen des Menschen gibt. Berichte über erfolgreiche Versuche stammen maximal von Tiermodellen. Zu den adulten gewebespezifischen Zellen schreibt die DFG jedoch auf Seite 21 unten:

... die therapeutische Nutzung gewebespezifischer Stammzellen ist bisher nur in Ausnahmefällen möglich.

Es stimmt, dass adulte Stammzellen nur in Ausnahmefällen therapeutisch genutzt werden können, aber sie können benutzt werden. Bei embryonalen Stammzellen gibt es die Therapie nicht einmal im Ansatz.

Liegen wir also so falsch, wenn wir die begrenzten Mittel für die schon therapeutisch nutzbaren adulten Stammzellen verwenden und nicht den ethisch umstrittenen Weg gehen? Nein. Wir sollten uns sogar noch stärker auf Stammzellen aus Nabelschnurblut und andere Alternativen konzentrieren.

Die FDP spricht in ihrem Antrag wieder davon, embryonale Stammzellforschung sei „ein Gebot der Ethik“. Ich halte das für falsch. Ein Gebot der Ethik ist es, endlich bei den vielen betroffenen kranken Menschen nicht durch falsche Heilsversprechen Hoffnungen zu wecken, die nicht erfüllbar sind.

Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken, sondern verantwortungsvoll mit ethisch schwierigen Fragen umgehen. Deshalb haben wir für den Mai die Durchführung einer Ausschussanhörung beschlossen, in der wir mit externen Sachverständigen darüber diskutieren werden, ob die Begründungen der Befürworter ausreichen, um den Stammzellkompromiss aufzukündigen.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: