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Rede zum Verbot der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen

10.05.2007

Rede zum Antrag der FDP "Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit schützen - Entschiedenes Vorgehen gegen Zerstörungen von Wertprüfungs- und Sortenversuchen sowie von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen" (Drs. 16/2835, 16/4474) zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Keine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Gelände des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben" (Drs. 16/4904) sowie zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Einfuhrverbot für Produkte aus dem gentechnisch veränderten Mais MON863 anordnen" (Drs. 16/4905)

René Röspel (SPD):
Frau Präsidentin!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Happach-Kasan, ich bin froh - darum habe ich ausdrücklich gebeten -, heute reden zu dürfen; denn sonst hätte ich mein Gekrakel ordentlich aufschreiben und dann zu Protokoll geben müssen. Das wäre viel mehr Aufwand gewesen und hätte sich im Hinblick auf den vorliegenden FDP-Antrag, über den wir hier mindestens zum fünften Mal zu diskutieren haben, nicht gelohnt. Ich gebe gern wieder zu Protokoll, dass die SPD-Bundestagsfraktion natürlich die Beteiligung an Straftaten ablehnt. Das ist für uns aber eine Selbstverständlichkeit.

Der eine Antrag der Grünen bezieht sich auf das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung. Das ist unter anderem eine Genbank, in der über 120 000 oder 130 000 Saatgutarten und -varietäten aufbewahrt werden. Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß aus meiner Fraktion hat zu Recht gesagt: Es ist ein kulturelles und landwirtschaftliches Gedächtnis und Vermächtnis. Es ist ein Erbe alter Arten und Sorten. Es ist von großer Bedeutung, diese Gen- bzw. Saatgutbank zu erhalten, weil sie noch heute ein Lieferant für Saatgut ist. Das ist vor allen Dingen eine Zukunftschance.
Wenn wir irgendwann, vielleicht in einigen Jahren, eine alte Art, die wir schon längst vergessen haben - eingeräumt in die Schublade dieser Genbank, dieser Saatgutbank -, doch wieder entdecken, weil sie Eigenschaften hat, die wir vorher nicht gekannt oder nicht genutzt haben, dann ziehen wir die Schublade auf und wir können dieses Saatgut wieder verwenden.
Voraussetzung für eine funktionierende Genbank, für dieses Gedächtnis und Vermächtnis, ist eben, dass die Saatgutarten rein vermehrt werden können. Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen, sogar gleicher Sorten und Arten, in unmittelbarer Nähe und auf den Flächen des IPK angepflanzt werden, halte ich das ausdrücklich für falsch. Das werden wir im Ausschuss noch einmal interessiert diskutieren.

Bei dem zweiten Antrag der Grünen geht es um einen gentechnisch veränderten Mais, MON 863, der ein Insektengift produziert. Er ist im Jahr 2002 in das Zulassungsverfahren gegangen, und zwar mit einer 1 000-seitigen Stellungnahme des Herstellers über Fütterungsstudien an Ratten. Er ist mittlerweile als Futter und Lebensmittel zugelassen.
Im Jahr 2003 gab es die erste Kritik an dieser Zulassung. Im Jahr 2004 hat Greenpeace - man kann dazu stehen, wie man will - die Herausgabe dieser Studie verlangt. Monsanto als Hersteller hat dagegen geklagt und verloren.
Im Jahr 2007 kam dann eine weitere Studie. Séralini und andere haben sich diese 1000 Seiten mit Daten zu Gemüte geführt und sie anders ausgewertet.

Wenn man in diese Studie hineinschaut - veröffentlicht in einem wissenschaftlichen Organ über Gutachtersysteme -, dann stellt man Differenzen fest. Es sind gentechnisch veränderte und gentechnisch nicht veränderte Maiskörner an Ratten verfüttert worden, die sogenannte Kontrolle. Es gibt Veränderungen: bei den Leberwerten, bei den Triglyceriden, um die 40 Prozent, bei den Nierenwerten um 35 Prozent, bei Eosinophilen und Retikolozyten, bestimmten Zellarten des Knochenmarks, um 50 Prozent.

Wenn Ihr Arzt so eine Abweichung von den Normwerten feststellen würde, würde er Sie ganz schnell zu sich rufen. Nun sind das Tierversuche. Nun sind das zweifelsohne ganz bestimmte Versuche. Dennoch wird man sie interpretieren können. Das Bundesinstitut für Risikobewertung bleibt ja bei seiner Einschätzung, dass es eben nicht aus der Reihe schlagen würde. Trotzdem sage ich: So einfach vom Tisch wischen - es gibt Indizien darüber, dass man sich wenigstens Gedanken machen muss, ob wir den richtigen Weg gehen -, das kann man auch nicht machen.

Je länger ich mich damit beschäftigt habe - auch mit den Möglichkeiten und den Verfahrensweisen, wie die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen geprüft wird -, desto größer sind meine Zweifel geworden. Ich stelle nämlich fest, dass nicht wie üblich wissenschaftlich standardisierte Methoden angewandt werden, sondern dass die Kontrollverfahren durchaus zweifelhaft sind, dass die Auswertungsmöglichkeiten sehr breit sind - das zeigt die Studie - und dass eine ganze Reihe von Parametern und Kriterien in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen, die ich wissenschaftlich nicht für haltbar halte.

(Zuruf von der FDP)

Morgen wird Greenpeace eine Studie über eine andere gentechnisch veränderte Pflanze, MON 810, veröffentlichen, bei der auf sehr interessante Weise die unterschiedliche Konzentration dieses Insektengiftes und die teilweise mangelhafte Beurteilung dieser Pflanzen deutlich werden wird oder zumindest interpretiert werden kann.

Ich habe in meiner letzten Rede - damit komme ich zum Schluss, weil die Zeit drängt - dargestellt, dass es sehr viele Gutachten mit Pro und Kontra zur Gentechnik gibt und dass ich die Lösung noch nicht gefunden habe. Aus meiner Sicht sind aber die Zweifel größer geworden. Wenn es diese Zweifel gibt, dann ist es - es sind eben sehr wichtige Entscheidungen - richtig, dass man ihnen nachgeht und versucht, sie auszuräumen oder zu bestätigen und Konsequenzen zu ziehen.
Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, werden das in den Antragsberatungen und darüber hinaus genau prüfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: