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Erst informieren, dann nachdenken

29.09.2006

29. September 06

Antwort auf den Leserbrief der CDU-Sprecherin Angelika Stolze zur Grundschulwahl und zu Studiengebühren in der WP Hagen vom 23. 9.

Es ist schon ein starkes Stück, wenn Frau Stolze in Ihrem Brief unkommentiert behaupten darf, Studiengebühren fallen erst nach abgeschlossenem Studium an und auch nur dann, wenn eine entsprechend honorierte Stelle angetreten werden kann. Haben Sie schon einmal einen jungen Menschen aus Hagen, der in einer unserer Nachbarstädte studieren will, gefragt? Der weiß es nämlich besser.
Die Unis in Bochum, Siegen und Wuppertal kassieren ab sofort 500 Euro pro Semester, zusätzlich übrigens zu den schon immer fälligen Semestergebühren, die bei etwa 150 Euro liegen. Duisburg-Essen und Dortmund folgen ab Sommersemester 2007. „Die Studienbeiträge werden direkt bei der Immatrikulation bzw. bei der Rückmeldung entrichtet“, heißt es zum Beispiel in den Richtlinien der Ruhr-Uni Bochum.
Wer sie nicht zahlen kann, muss einen Kredit aufnehmen. Fragen Sie doch mal bei der Sparkasse, der Märkischen Bank oder den Privatbanken in Hagen nach. Dort gibt es überall maßgeschneiderte Angebote für Studien-Kredite. Mit den Zinsen und den anderen Kosten, die ein Studium verursacht, kommen da nach Schätzung es Deutschen Studentenwerkes schnell 20 000 bis 30 000 Euro Schulden zusammen. Ein schönes „Startkapital“ für einen Berufseinsteiger. Und ein schönes „Startkapital“, um eine Familie zu gründen.
Das gilt natürlich nur für Studenten, deren Eltern das Studium nicht aus ihrem Einkommen finanzieren können. Ich weiß nicht, was daran gerecht sein soll.
Dass diese Studiengebühren dann die Ausstattung der Hochschulen verbessern, ist auch nur Wunschdenken. Wer in den vergangenen Monaten aufmerksam die Hagener Zeitungen gelesen hat, müsste eigentlich mitbekommen haben, dass sich alle Hochschulen in Nordrhein-Westfalen (die meisten davon übrigens während der 39 Jahre SPD-Regierung entstanden) schon jetzt darüber beschweren, dass ihnen die Studiengebühren nicht, wie von der CDU/FDP-Landesregierung versprochen, zusätzlich zur Verfügung stehen, sondern zur Hälfte zum Stopfen von Löchern verwendet werden muss, die eben diese Landesregierung durch Unterfinanzierung der Hochschulen gerissen hat.
Wahrscheinlich hat sich Frau Stolze auch bei den anderen von ihr angesprochenen Themen ähnlich „genau“ informiert wie bei den Studiengebühren. Wer nicht nur die Überschriften überfliegt, sondern auch die dazugehörigen Artikel einigermaßen aufmerksam liest, bekommt jedenfalls ein anderes Bild von der Realität.
Im Gegensatz zu Frau Stolze kenne ich nicht nur die PISA-Schlagworte, sondern die Details der Studien, und vor allem erlebe ich als Vater die Diskussionen. So schneidet zum Beispiel Bayern bei PISA für Deutsche Verhältnisse recht gut ab, aber nicht, weil dort die Bildung besser wäre als bei uns in Nordrhein-Westfalen. In Bayern werden einfach schlechte Schüler viel eher ausgesondert. Zehn Prozent der bayerischen Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss, nur 17 Prozent erreichen das Abitur. Nur 18,9 Prozent eines Jahrgangs erreichen im Freistaat Bayern die Fachhochschul- und Hochschulreife, im Bundesdurchschnitt sind es fast 40 Prozent. Bayern gibt pro Grundschüler 3000 Euro aus, im Bundesdurchschnitt sind es 4000. In Bayern werden Eltern als Aushilfs-Lehrer eingesetzt.
Ist es das, was Frau Stolze und die CDU jetzt auch in Nordrhein-Westfalen wollen?
Das Eintreten von Frau Stolze gegen die „Zwangseinweisung“ in die Grundschule ist doppelzüngig. Denn während die Eltern nach CDU-Vorstellung selbst entscheiden sollen, welche Grundschule ihr Kind besucht, will sie die seit Jahrzehnten bewährte Freiheit bei der Wahl der weiterführenden Schule abschaffen. Hier soll das Wort der Lehrerin dann plötzlich mehr Wert sein als der Elternwille.
Ich habe während meiner Ausbildung einen wichtigen Grundsatz gelernt, an den ich mich auch immer halte: Erst informieren, dann nachdenken und erst dann reden.
René Röspel
SPD-Bundestagsabgeordneter

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