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Kein Genmais-Anbau gegen den Willen der Bürger

02.07.2009

Rede zur Beschlussempfehlung und zum Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Kein Genmais-Anbau gegen den Willen der Bürger in der EU" (Drs. 16/13398, 16/13663)

René Röspel (SPD):
Politik, die man gegen die Wünsche der Menschen macht, kann scheitern. Damit ist klar: Wenn die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich gentechnisch veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel ablehnen, sollten wir als Politikerinnen und Politiker das in unserer Entscheidung mit berücksichtigen.

Allein: Das reicht nicht. Es gibt eine Vielzahl auch wissenschaftlicher, sozioökonomischer und wirtschaftlicher Gründe, den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht zuzulassen. Darüber haben wir in den letzten Jahren an dieser und anderen Stellen genug diskutiert.

Umso begrüßenswerter ist der am 25. Juni 2009 von der österreichischen Regierung präsentierte Vorschlag, dass zukünftig die EU-Staaten allein darüber entscheiden sollen, ob sie den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zulassen oder nicht. Ohne Abstriche ist dieser Vorschlag zu unterstützen. Es kann nur schaden, wenn die Europäische Union gegen den Willen einzelner Mitgliedstaaten versucht, auch diese Länder zur Zulassung und zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bzw. Organismen zu zwingen.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Bundesregierung mit diesem verbraucherschutzfreundlichen Vorschlag auf europäischer Ebene profiliert hätte, so, wie wir als SPD das seit langem vorschlagen. Die zuständige Ministerin Ilse Aigner scheint jedoch lieber zu reagieren, als im Sinne der Verbraucher und Bauern aktiv zu handeln.

Bei mir drängt sich nach der Debatte der vergangenen Tage auf EU-Ebene der Eindruck auf, dass die Forderung im vorliegenden Antrag der Grünen, Mitgliedstaaten zu unterstützen, die nationale Anbauverbote erlassen haben, bereits Mehrheitsmeinung der EU-Umweltminister ist. So verstehe ich die ausschließlich positiven Reaktionen auf den Vorstoß Österreichs.

Bedauerlich ist, dass die österreichische Regierung nicht auch das Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen in den Blick genommen hat. Nur ein transparentes und wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Zulassung garantiert Akzeptanz. Ich denke, wir alle begrüßen daher die Aussage von dem Generaldirektor Umwelt der EU-Kommission, Karl Falkenberg, der gesagt hat, dass man das Zulassungssystem für gentechnisch veränderte Organismen „möglichst bald“ überarbeiten werde.

Diese Signale aus der EU-Kommission machen offenkundig, dass entgegen der Auffassung der Fraktionen der FDP und CDU/CSU wohl doch Reformbedarf beim Zulassungsverfahren besteht. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich aktiv in die Überarbeitung des Zulassungssystems einzubringen.

Wir haben hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland, die in diesem Bereich arbeiten. Im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher muss dieser Sachverstand auf EU-Ebene eingebracht werden. Hierzu zähle ich ausdrücklich auch die vielen Verbände und Einrichtungen, die sich kritisch mit gentechnisch veränderten Organismen auseinandersetzen. Auch diese Gruppen verfügen über wichtiges Expertenwissen, das durch die Regierung und die EU-Kommission genutzt werden sollte.

Sehr gespannt bin ich auf den Bericht über die Einbeziehung von sozioökonomischen Kriterien bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen, den EU-Umweltkommissar Dimas vorlegen wird. Der Wunsch meiner Fraktion ist, dass die Bundesregierung den Inhalt dieses Berichts aktiv aufgreifen wird. Viel zu lange wurden sozioökonomische Kriterien in der Debatte über gentechnisch veränderte Pflanzen nur stiefmütterlich behandelt.

Als Forschungspolitiker sehe ich die großen Chancen, die Gentechnologie bei Pflanzen bietet. Wir können noch so viel mehr über Pflanzen und Organismen lernen. Aber man muss strikt zwischen Grundlagenforschung und agrarindustrieller Ausbringung in Umwelt und Natur trennen. Allerdings sind meines Erachtens noch viel zu viele Fragen ungeklärt, sodass die irreversible, großflächige Ausbringung gentechnisch veränderter Pflanzen nicht erfolgen sollte. Wir alle wollen mehr Forschung, denn diese schafft notwendiges Wissen, insbesondere in der Biologie.

Darauf, warum wir allerdings trotz wissenschaftlicher Bedenken und gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung gentechnisch veränderten Pflanzen zum Durchbruch auf dem Acker verhelfen sollen, haben weder FDP noch CDU/CSU eine überzeugende Antwort.
Dies sieht man auch daran, dass die CSU plötzlich öffentlichkeitswirksam die Agro-Gentechnik ablehnt, auf Bundesebene gemeinsam mit der CDU aber wiederholt das Gentechnikgesetz lockern wollte. Glaubwürdige Politik sieht anders aus.

Was ist nun von den anderen, konkreten Forderungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu halten? Solange es wissenschaftlich begründete Bedenken gegen den Anbau von MON810 gibt, muss im Sinne des Vorsorgeprinzips das Verbot des Anbaus bestehen bleiben. Auch dürfen keine anderen Sorten zugelassen werden, bei denen ähnliche Bedenken wie bei MON810 bestehen. Wo kämen wir denn auch hin, wenn wir bei MON810 ein Verbot erlassen, bei anderen Sorten trotz ähnlicher Bedenken aber dem Anbau zustimmen würden? Die Forderungen im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen halte ich für sinnvoll und berechtigt.

Die Wählerinnen und Wähler werden im September auch entscheiden können, wie mit der Agro-Gentechnik weiter verfahren werden soll. Die Position der SPD ist jedenfalls klar.

Quelle:
Deutscher Bundestag 2009, Plenarprotokoll 16/230 vom Donnerstag, den 2. Juli 2009
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/16/16230.pdf

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