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Die europäische Forschungspolitik in die richtigen Bahnen lenken

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19.05.2011

René Röspel (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das 7. Forschungsrahmenprogramm ist ein tatsächliches Schwergewicht in der europäischen Politik – nicht nur wegen seines finanziellen Volumens von 54 Milliarden Euro, das hier bereitgestellt wird, sondern gerade auch wegen seines Inhalts. Es geht nämlich um die Förderung europäischer Forschungspolitik und Forschungsvorhaben.Mittlerweile haben glücklicherweise viele Länder verstanden – Deutschland schon länger –, wie wichtig Bildung, Forschung und Innovationen sind – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es sehr gut, dass sich der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung in diesem Jahr schon seit längerer Zeit damit befassen, die Erstellung des 8. Forschungsrahmenprogramms zu begleiten und die Weichen frühzeitig zu stellen. Das 8. Forschungsrahmenprogramm wird nämlich eine ähnlich wichtige Bedeutung wie das 7. Forschungsrahmenprogramm haben. Deswegen wäre es gut und angemessen gewesen, wenn wir als Deutscher Bundestag eine gemeinsame, klare Position entwickelt und nach Brüssel gesandt hätten, um deutlich zu machen, was Deutschland für richtig und sinnvoll hält.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN)

Das wäre möglich gewesen. Herr Rachel, Sie haben die Gemeinsamkeiten angesprochen. Es gibt viele Gemeinsamkeiten aus deutscher Sicht, die sicherlich alle Fraktionen in einem klaren, knappen Antrag unterschrieben hätten.

Wir alle wollen, dass das 8. FRP finanziell mindestens genauso stark ausgestattet wird wie das 7. Forschungsrahmenprogramm; vielleicht könnte man den Etat sogar erhöhen. Wir sind überzeugt, dass das Programm „Verbundforschung“, in dem verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen europäischen Ländern miteinander ein Thema bearbeiten, erfolgreich war. Wir sehen, dass der Europäische Forschungsrat, wo Fördergelder nach Exzellenz, also nach wissenschaftlicher Qualität, an junge Nachwuchswissenschaftler oder erfahrene Wissenschaftler vergeben werden, ein erfolgreiches Projekt ist, vergleichbar der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wir alle sind überzeugt – das wäre ein weiterer Punkt –, dass Wissenschaftlerinnen stärker gefördert werden müssen, als es jetzt der Fall ist, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der

Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Wir wissen, dass der wissenschaftliche Nachwuchs besser gefördert werden muss. Ein letztes Beispiel: Ja, wir brauchen eine Vereinfachung der Verfahren bei den europäischen Fördermitteln, nicht nur bei der Antragstellung, sondern auch bei der Abrechnung. Das alles hätten wir in einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag kleiden können. Das wäre ein starkes Signal an Brüssel gewesen. Wir hätten sagen können: Das deutsche Parlament will diese Kernforderungen im 8. Forschungsrahmenprogramm verwirklicht sehen. – Leider ist das nicht gelungen. Wir als SPD, als Opposition, waren dazu bereit, ein gemeinsames Paket zu schnüren. Ich kenne die Schwierigkeiten, die eine Regierungskoalition hat. Aber wir haben in der letzten Legislaturperiode durchaus gezeigt, dass es von Regierungsseite möglich ist, etwas Gemeinsames dort zu machen, wo es sinnvoll ist. Jetzt aber werden die Bundesrepublik Deutschland, das deutsche Parlament als zersplittert wahrgenommen, weil es unterschiedliche Anträge und einen Antrag, der die Mehrheit finden wird, gibt. Das finde ich sehr schade, und das ist dem Thema nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN)

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Unterschieden in der Bewertung.

(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das ist

der Grund!)

– Nein, die hätte man in anderen Anträgen aufgreifen können. Bei den vielen Gemeinsamkeiten hätten wir schon einen guten Antrag auf den Weg bringen können. – Die Differenzen will ich benennen. Gerade ist das Exzellenzprinzip angesprochen und Rot-Grün der Vorwurf gemacht worden, wir wollten mit unserem Antrag das Exzellenzprinzip aufweichen. Das ist zwar ein interessanter rhetorischer Versuch, aber es ist genau umgekehrt. Schauen wir uns den Antrag der CDU/CSU an – den kann man übrigens gut knicken –

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der

SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-

NEN)

und was in ihm über Exzellenz steht. Wir betonen in unserem rot-grünen Antrag ausdrücklich das Bekenntnis zurExzellenz. Wir sagen, dass es unbestritten ist, dass Exzellenz, also die wissenschaftliche Qualität, das bestimmende Prinzip sein muss, aufgrund dessen Fördermittel vom Europäischen Forschungsrat vergeben werden müssen.Was steht aber im Antrag der CDU/CSU? Wenn das Exzellenzprinzip verwässert wird, dann in diesem Papier. Auf Seite 2 steht, dass Exzellenz das wichtigste Kriterium sei, an anderer Stelle, dass Exzellenz Priorität habe und das ausschließliche Kriterium sei. In Punkt 3 aber schreiben Sie, es sei die „Marktrelevanz bei der Vergabe von Fördermitteln zu berücksichtigen, damit die Forschungsförderung einen noch größeren Beitrag zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit leisten kann …“. Auf Seite 4 wird es noch toller. Dort steht, die Marktrelevanz sei neben dem Exzellenzkriterium wichtig, und vor allem müssten die Forschungsprojekte bereits am Anfang stärker auf ihre Marktrelevanz geprüft werden – nicht auf die Exzellenz, sondern auf die Marktrelevanz. Das finde ich allerdings schon sehr spannend. Sie sind es, die das Exzellenzprinzip verwässern, weil Sie ein neues Kriterium einführen, die Marktrelevanz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten

der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE

GRÜNEN)

Ich will Ihnen sagen, warum diese Abkehr einen richtig großen Fehler darstellt. Ich will zwei Beispiele nennen. Erstes Beispiel. Wenn Sie Exzellenz als wichtiges Kriterium sehen, aber Marktrelevanz berücksichtigen, dann setzen Sie das Ziel, dass das Forschungsrahmenprogramm einen Beitrag zur, wie Sie sagen, wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit leisten soll. Wir allerdings sehen – so habe ich die Leitlinien der Bundesregierung und auch die Europäische Kommission und das Parlament verstanden – das Forschungsrahmenprogramm als einen Beitrag, die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft zu bewältigen: Klima, Energie, Umweltschutz, Gesundheit, demografische Veränderung und Alter. Es ist also die Frage zu stellen, was wir tun und wie wir forschen müssen, damit Menschen gesünder leben und damit sie im Alter länger fit bleiben. Das alles kann dazu führen, dass dabei marktrelevante Produkte herauskommen. Aber das ist nicht das Kernziel. Das kann nach unserer Auffassung auch dazu führen, dass Sozial- und Geisteswissenschaften stärker berücksichtigt werden und nicht nur technologische Forschung betrieben wird. Sie erreichen also das Ziel, das wir verfolgen, nämlich die großen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit und Umwelt anzunehmen, überhaupt nicht, wenn Sie Marktrelevanz als zusätzliches Kriterium einführen. Zweites Beispiel. Wenn, wie Sie schreiben, vor jeder Förderung eines Forschungsprojektes die Marktrelevanz geprüft werden muss, bedeutet das den Tod von Grundlagenforschung.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei Grundlagenforschung kann Marktrelevanz nämlich nicht nachgewiesen werden. Auch bei Forschung im Gesundheitsbereich, bei der es ja darum geht, die Situation von Menschen zu verbessern, weiß man nicht, ob am Ende ein marktrelevantes Produkt herauskommt. Ich finde – das war vielleicht der Grund, warum der Redebeitrag der Bundesregierung gleich am Anfang kam –, dass Sie vom Exzellenzprinzip tatsächlich in einer falschen Weise Abschied nehmen. Das bedauern wir sehr. Einen weiteren Differenzpunkt möchte ich noch abschließend nennen – meine Redezeit läuft ab –: Wir glauben, dass die geforderte Energiewende es nötig macht, auf europäischer Ebene über Veränderungen bei der Forschungsförderung im Energiebereich nachzudenken, und zwar hin zu mehr Klimaforschung und zur Erforschung von erneuerbaren Energien und von Energieeffizienz. Damit können wir die großen Herausforderungen, vor denen sich Europa und Deutschland gestellt sehen, auch besser angehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: