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Stand des ITER-Projekts

30.06.2011

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 30. Juni 2011 zum GRÜNEN-Antrag „Moratorium jetzt - Dringliche Klärung von Fragen zu Mehrkosten des ITER-Projekts“; Deutscher Bundestag, 117. Sitzung, TOP 18

Herr/ Frau Präsident/in! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wieder einmal dürfen wir uns hier im Bundestag mit dem Thema ITER beschäftigen. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt der EU, Japan, Russland, USA, China, Indien und Südkorea zum Bau und Unterhalt eines Fusionsforschungsreaktors. In diesem Reaktor sollen Abläufe, die in der Sonne stattfinden, in einem Kraftwerk nachempfunden werden. Als Standort wurde das französische Cadarache gewählt. Die EU trägt 45,5 Prozent der Kosten. Nach letzten Informationen werden die Baukosten für ITER auf über 15 Mrd. Euro steigen, was eine Verdreifachung der ursprünglichen Kosten bedeutet. Ein Teil der Mehrkosten ist durch Inflation und steigende Rohstoffpreise bedingt. Weitere Gründe für die Kostensteigerungen sind neue Erkenntnisse, insbesondere zur Steigerung der Sicherheit des ITER sowie die Komplexität der internationalen Kooperation. Für die EU heißt dies einen Kostenanstieg auf ca. 7,2 Mrd. Euro, im Vergleich zu den 2,7 Mrd. Euro, die bei Vertragsunterzeichnung vereinbart waren. Woher innerhalb des europäischen Haushalts diese Gelder kommen, darüber wird in Brüssel bereits seit Monaten gestritten.

Für uns Sozialdemokraten ist die Fusionsforschung ein spannendes Forschungsthema der Grundlagenforschung. Ob und wenn ja wann jemals mit dieser Technologie kommerziell Energie gewonnen werden kann, ist noch komplett unklar.

Selbst wenn, wie angekündigt, 2050 eine erste Kernfusionsreaktor zur Strombereitstellung in Betrieb genommen werden könnte, wovon bereits jetzt immer weniger Experten ausgehen, dann käme dies als Beitrag für unsere Energieversorgung viel zu spät. Denn die Energiewende müssen wir bis dahin längst geschafft haben. Insofern müssen wir uns schon fragen, wie viel Geld wir in diesen Forschungszweig geben wollen und können. Aktuell besteht leider die Gefahr, dass Finanzmittel aus anderen Forschungsbereichen, wie zum Beispiel der erneuerbaren Energie abgezogen werden um die ständig größer werdenden Haushaltslöcher bei ITER zu stopfen. Das halten wir Sozialdemokraten für falsch.

Zu den bisher bekannten Kostenexplosionen kommt bei ITER jetzt ein weiteres Problem. Das diesjährige schwere Erdbeben in Japan hat auch eine Testanlage der japanischen Atomenergiebehörde in Naka beschädigt. Hier sollten supraleitenden Magnete und eine Vorrichtung zur Heizung des Plasmas für ITER getestet werden sollen. Derzeit sind die Forschungsgebäude nicht betretbar. Laut Presseberichten rechnet der technische Direktor von ITER auf Grund dieser Beschädigungen bereits jetzt mit einer Verzögerung des ITER-Projekts um weitere zwei Jahre. Welche Folgekosten das haben könnte, ist bisher noch unklar. Eine Arbeitsgruppe soll jetzt bis November klären, welche genauen finanziellen und wissenschaftlichen Auswirkungen die Folgen des Erdbebens auf das ITER-Projekt haben wird.

Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung diskutieren wir die Probleme bei ITER regelmäßig. Im Antrag „Für eine Stärkung der breit aufgestellten europäischen Grundlagenforschung - Keine finanziellen Einschnitte beim Europäischen Forschungsrat zu Gunsten des Einzelprojekts ITER“ haben wir als SPD-Bundestagsfraktion zu dem Thema bereits klar Stellung bezogen. Der uns jetzt vorliegende Antrag der GRÜNEN fasst nun den aktuellen Informationstand gut zusammen und greift offene Fragen auf.

Auch wird dort unter anderem die Verhängung eines Moratoriums gefordert. Das klingt bei all den beschrieben Problemen beim Bau von ITER erst einmal einleuchtend. Offen lässt der Antrag aber, was denn mit Moratorium gemeint ist und das genau umgesetzt werden soll. Denn Deutschland ist gar keine direkter Vertragspartner, sondern allein über seine Mitgliedschaft in EURATOM an ITER beteiligt. Jegliche Vertragsänderung benötigt aber erst einmal einen Konsens zwischen allen europäischen Mitgliedsstaaten. Und danach muss eine Einigung mit den internationalen Partnern gefunden werden. All dies wird ziemlich schwierig und langwierig werden, wenngleich wir große Sympathie dafür haben.

Unklar ist, welche Auswirkung ein solches Moratorium im Detail haben kann und soll. Auch in Deutschland arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich der Fusionstechnologie. Deren Erkenntnisse und Produkte sollen ebenfalls in das Projekt von ITER fließen. Bedeutet Moratorium, dass diese Arbeiten eingestellt werden sollen? Sollen Arbeiten auf der Baustellen in Cadarache dann unterbrochen werden? Ist das rechtlich überhaupt machbar? Leider bleibt der Antrag der GRÜNEN bei den Lösungsansätzen zeimlich schwammig.

Deshalb zusammenfassend, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, Ihre Analyse zu ITER teilen wir weitgehend. Aber bei ITER handelt es sich um ein internationales Projekt, aus dem man leider eben nicht einfach ein- bzw. aussteigen kann. Auch wenn ich mit Ihren Lösungsansätzen durchaus sympathisiere, so halte ich sie doch leider für nicht praktikabel. Dennoch sollten sich alle Interessierten zusammensetzen und überlegen, auf welchem Weg und mit welchen Konsequenzen die weitere Kostensteigerung begrenzt werden kann.

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