Logo der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Keine Alternative zur GroKo

31.01.2018

In einem ausführlichen Schreiben hat René Röspel auf eine E-Mail geantwortet, die dann später als Leserbrief in der WR/WP EN-Süd erschienen ist. Hier ist der der Text der Antwort:

Ich möchte eingangs zu bedenken geben, ob wir es uns nicht zu einfach machen, wenn wir sagen, dass nur die GroKo die Ursache für unsere schlechten Wahlergebnisse war, wie Du nahelegst. Ich finde, wir sollten ehrlich sein und uns klar machen, dass die Gründe wesentlich vielschichtiger sind und auch bei uns selbst und vor allem einer zu schwachen Kommunikation eigener Erfolge zu suchen sind. Das habe ich auch in der letzten Fraktionssitzung erläutert und gefragt, ob die Ergebnisse der letzten Wahlen für die SPD und die Ablehnung der GroKo ursächlich mit GroKo zu tun haben - oder der Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust nicht andere Ursachen hat (immer noch Verunsicherung/Enttäuschung durch Agenda 2010 ...). Und Vertrauen gewinnt man nicht durch Ignoranz zurück, sondern durch Eingeständnis von Fehlern, konkretes Handeln und Übernahme von Verantwortung, um diese Fehler (bei Rente, Arbeitsmarkt usw.) zu beseitigen. Das sollten wir jetzt tun.

Natürlich bin auch ich mit einigen Punkten des Sondierungspapiers nicht zufrieden. Das Fehlen der Bürgerversicherung, der Umgang mit schutzbedürftigen Geflüchteten, die Regelung des Familiennachzuges und die bisher viel zu knappe finanzielle Unterstützung der Kommunen durch den Bund sind nur ein paar Beispiele. So etwas muss in Koalitionsgesprächen ausverhandelt werden, auch wenn ich nicht erwarte, dass sich in diesen Bereichen noch viel bewegt.
Auch habe ich für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem Wahlkampf gemacht. Ärgerlicherweise haben wir keine wirkliche Vereinbarung in dem Sondierungsergebnis, die verhindert, dass Reiche immer Reicher werden (außer bei der Soli-Regelung, der nur für untere und mittlere Einkommen entfallen soll). Aber sollen wir deshalb die im Stich lassen, denen es – wie Du richtigerweise sagst – schlecht geht? Ich sehe eine Reihe von Punkten, die eine klare sozialdemokratische Handschrift tragen und die bei diesen Menschen ansetzen: Sozialer Arbeitsmarkt für 150.000 Langzeitarbeitslose, Rentenstabilisierung auf 48 % (bis 2025) durch Änderung der Rentenformel (veröffentlicht werden derzeit gerne Prognosen - wenn die Wirtschaft weiterhin so boomt), Solidarrente für Kleinverdiener, paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, mehr Pflegekräfte mit besseren Tarifen, kein Schulgeld mehr für Soziale Berufe (bislang müssen Erzieher, manche Pflegekräfte, Logopäden, Physiotherapeuten usw. Geld dafür bezahlen, einen gesellschaftlich wichtigen, aber auch noch schlecht vergüteten Beruf zu erlernen!), höhere Freibeträge für Kinder pflegebedürftiger Eltern, Mindestausbildungsvergütung, Initiativen gegen (Kinder-)Armut...usw...

Dass man mit der Union kein sozialdemokratische Politik machen kann, stimmt übrigens so nicht: In der letzten GroKo haben wir u. a. mit dem gesetzlichen Mindestlohn und der Rente mit 63 sozialdemokratische Herzensanliegen durchgesetzt – die Frage ist, ob es uns nutzt. Ich glaube, dass wir hier einfach noch lernen müssen, besser zu kommunizieren. Wir sollten zwar nicht von Seehofer lernen, schon den kleinsten Erfolg zum Elefanten aufzublasen (tatsächlich haben CDU und CSU zwar einiges verhindert, aber kaum etwas an eigene Forderungen durchgesetzt). Aber wir sollten unsere Erfolge auch mal selbstbewusst nach außen tragen.

Dass wir nicht unser komplettes Regierungsprogramm umsetzen können würden, war bei den Verhandlungen mit der Union von vornherein klar – Kompromisse sind essenzieller Bestandteil von (potenziellen) Koalitionen. Nun gilt es, das Erreichte zu bewerten und vor allem, sich bewusst zu machen, was denn die Alternative wäre. Lehnen wir Koalitionsgespräche nun (vorschnell) ab, sind Neuwahlen absehbar. Nach momentaner Umfragelage würden diese sogar noch schlechter für uns (und besser vor allem für die AfD!) ausgehen. Dann müssten wir also noch weiter geschwächt in - nicht mehr eine Große, sondern nur noch - eine schwarz-rote Koalition gehen, da eine linke Mehrheit momentan einfach nicht in Aussicht ist und auch eine schwarz-grüne Minderheitsregierung oder "Jamaika II" nicht realistisch sind.
Da ist es mir lieber, wenn z. B. 150.000 Langzeitarbeitslose durch die Einführung eines sozialen Arbeitsmarktes endlich Aussicht auf einen Job haben, langjährige Beitragszahler mit geringem Einkommen eine Solidarrente bekommen und alle künftigen Kostensteigerungen in der GKV wieder von Arbeitnehmer UND Arbeitgeber gemeinsam getragen werden.

Tatsächlich sehe ich (leider) nur eine Alternative zu einer GroKo: Neuwahlen. Unabhängig von der nicht ganz uninteressanten Frage, mit welchem Spitzenkandidaten wir in die Wahl gehen würden, bleibt die Frage, mit welchen Forderungen denn: Stabilisierung des Rentenniveaus, Einstieg in den Sozialen Arbeitsmarkt, Reichensteuer und Spitzensteuersatz erhöhen etc.? Steuererhöhung und Bürgerversicherung würde es immer noch nicht geben und von den anderen Punkten würden die Leute doch zurecht sagen, dass wir das doch schon alles erfolgreich verhandelt hätten und fragen, warum wir nochmal Wahlkampf dafür machen!? (Die CDU würde trotz aller internen Spannungen geschlossen mit einer gestärkten Merkel in die Wahl gehen, die behaupten würde, sie sei ja diejenige, die regieren wolle, aber die anderen blockierten selbst ausgehandelte Ergebnisse ...). Union und SPD würden weiter Prozente verlieren, die AfD gewinnen - und allein rein mathematisch nur noch schwarz-rot möglich: Neue Koalitionsverhandlungen, in die wir geschwächter rein gehen und nicht mal mehr das bekommen, was wir jetzt schon erreicht haben?

Ich bin übrigens der Auffassung, dass die Delegierten des Bundesparteitages die endgültige Entscheidung in die Hand der Mitglieder legen sollten: Meine Eltern wollen genauso darüber entscheiden wie ich (der ich kein Delegierter bin) und wahrscheinlich auch Du.

Ich weiß, dass die Lage der SPD schwierig ist und uns eine erneute GroKo vor eine Zerreißprobe stellen kann. Deswegen nehmen wir uns die Zeit, zu diskutieren und abzuwägen. Und wenn die Basis am Ende sagt, dass sie keine GroKo will, dann ist das natürlich zu akzeptieren (was aber an den o.g. Einschätzungen auch nichts ändern würde).

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: