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Forschungsförderung vernachlässigter Krankheiten

01.12.2011

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 01. Dezember 2011 zum LINKEN-Antrag „Forschungsförderung zur Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten ausbauen – Zugang zu Medikamenten für arme Regionen ermöglichen“; Deutscher Bundestag, 146. Sitzung, TOP 30

René Röspel (SPD):

Die Thematik der vernachlässigten Krankheiten in Entwicklungsländern hat über lange Zeit leider viel zu wenig Beachtung gefunden. Umso erfreulicher ist es, dass die Probleme und Herausforderungen im Zusammenhang mit sogenannten vernachlässigten Krankheiten zunehmend ins Interesse der Öffentlichkeit geraten. Dafür ist auch einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen zu danken, die sich überfraktionell für dieses Thema einsetzen. Ein Ergebnis ist auch, dass sich der Deutsche Bundestag dieses Themas angenommen und einen Unterausschuss „Gesundheit in Entwicklungsländern“ – der sich auch mit den vernachlässigten Krankheiten in diesen Ländern befasst – eingerichtet hat, der dem Thema angemessenes Gewicht im parlamentarischen Raum verleiht.

Dass die Thematik der vernachlässigten Krankheiten vielschichtig ist und nicht nur die Dimension der Entwicklungspolitik betrifft, sondern auch wichtige Implikationen für die Forschungspolitik in Deutschland mit sich bringt, wird auch an dem heute zur Debatte stehenden Antrag der Fraktion Die Linke deutlich: Die Schaffung von Grundlagen für eine nachhaltige Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten beschränkt sich nicht ausschließlich auf unsere Bemühungen in den Zielländern, sondern hängt auch ganz konkret von forschungspolitischen Weichenstellungen hier in Deutschland ab. Das grundsätzliche Anliegen des hier zu debattierenden Antrags, der Thematik der vernachlässigten Krankheiten auch in der Forschungsförderung des Bundes mehr Gewicht zu verleihen, können wir nachvollziehen. Dies wird im Grundsatz auch vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion befürwortet.

Nach eingehender Lektüre des Antrags kommen uns jedoch erhebliche Zweifel, ob dieser Rundumschlag der Fraktion Die Linke der Sache bzw. dem Ziel wirklich dienlich ist. Vielmehr kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Antrag sich auf zahlreichen Nebenschauplätzen verliert und zudem mit einer Reihe unreflektierter und unrealistischer Forderungen gespickt ist.

Da wäre zunächst die unter Punkt 7 erhobene Forderung, die nichtkommerzielle klinische Forschung mit jährlich 500 Millionen Euro zu fördern. Mit einem Blick auf den Forschungsetat des Bundes, der ein Gesamtvolumen von circa 13 Milliarden Euro umfasst, wird deutlich, dass eine Forderung in dieser Größenordnung als wenig realistisch einzustufen ist. Mit unrealistischen Forderungen dieser Art ist den Betroffenen in den jeweiligen Zielländern nur wenig geholfen: Wie zielführend ist eine Forderung nach Mitteln, die der Haushalt nicht hergibt? Zumal eine Förderung von klinischer Forschung in dieser Höhe einseitig Mittel im Forschungshaushalt binden würde. Dies ist weder ausgewogen noch nachhaltig, zumal eine Mittelaufstockung in diesem Bereich unweigerlich Kürzungen an anderer Stelle zur Folge hätte, etwa im Bereich der Grundlagenforschung. Auf diese Weise könnte es auch negative Rückwirkungen auf die Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten geben: etwa wenn durch eine mangelnde Finanzierung der Grundlagenforschung die Entdeckung neuer, vielversprechender Wirkstoffe gegen vernachlässigte Krankheiten nicht ermöglicht wird.

Daneben weist der vorliegende Antrag noch zahlreiche weitere unreflektierte Appelle auf. Ich will an dieser Stelle nur auf die Forderung eingehen, die die öffentliche Förderung klinischer Studien zwangsläufig an die Auflage einer Open-Access-Publikation binden möchte. Ich halte es für richtig, darüber nachzudenken, wie mit Ergebnissen aus öffentlich finanzierter Forschung umgegangen werden kann und soll. Wir haben als SPDFraktion in unserem Antrag zum Zweitverwertungsrecht im Urheberrecht eine Position dazu formuliert. Wenn aber die Linksfraktion die Bundesregierung auffordert, die öffentlich finanzierten Forschungsinstitute zu verpflichten, bereits vorhandene Patente – sogar wenn sie nicht öffentlich finanziert wurden – in einen noch so sinnvoll erscheinenden Patentpool zu geben, baut sie Potemkinsche Dörfer auf. Dies ist tatsächlich kaum zu realisieren.

Diese Liste ließe sich noch erweitern; angesichts der begrenzten Redezeit soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter darauf eingegangen werden. Das grundsätzliche Problem der Unausgewogenheit des vorliegenden Forderungskatalogs ist hoffentlich in Teilen herausgearbeitet worden. Wie so oft im Leben, so wird auch in diesem Fall deutlich, dass das Gegenteil von „gut gemacht“ auch „gut gemeint“ sein kann.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: