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Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen – Forschung und Lehre für zivile Zwecke sicherstellen

27.09.2012

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 27. September 2012 zur Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE „Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen – Forschung und Lehre für zivile Zwecke sicherstellen"; Deutscher Bundestag, 195. Sitzung, TOP 23

René Röspel (SPD):
Einige von Ihnen wissen, dass ich mich sehr leidenschaftlich für die Friedensforschung in Deutschland einsetze. Auch zu dem Thema zivile Sicherheitsforschung habe ich an dieser Stelle bereits öfter gesprochen. Insofern war ich auf den uns hier vorliegenden Antrag durchaus gespannt. Aber um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin von diesem Papier enttäuscht. Warum, möchte ich Ihnen anhand einzelner Punkte des Antrages darstellen.

Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linken, fordern in dem Papier den Bund auf, an den Universitäten eine Zivilklausel einzuführen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten halten es für unterstützenswert, wenn Universitäten für sich Zivilklauseln einführen, die darauf abzielen, keine militärische Forschung zu machen, sondern dem Frieden in der Welt dienlich zu sein. Aber dafür ist der Bund der komplett falsche Ansprechpartner. Das ist ganz klar Landeskompetenz bzw. greift in die Autonomie der Hochschulen ein. Die Studierenden und Hochschulangestellten sind, wie Sie in Ihrem Antrag selbst aufzählen, hingegen eigenständig in der Lage, wenn sie die nötige Mehrheit mobilisieren können, diese Klausel zu verankern. Eine Bewegung von unten ist bei solchen Überzeugungsfragen sowieso besser als die Verordnung von oben, wie es die Linke hier fordert.

Vor allem aber weiß ich nicht, ob es wirklich fair ist, dass „die Politik“, also Parlament, Regierung usw., einerseits Forschungsaufträge vergibt, auch für militärische Zwecke, aber anderseits von den Hochschulen, also den Wissenschaftlern und Studierenden, verlangt, diese Aufträge bzw. Angebote nicht wahrzunehmen. Eine solche Vorgehensweise erscheint mir nicht redlich. Wir verschieben hier Verantwortung auf die Wissenschaft, die wir doch eigentlich hier im Parlament haben. Und wir sind es auch, die über den Einsatz der Forschungsergebnisse zu entscheiden haben. Wir können die Wissenschaft beauftragen, einen Lastwagen zu entwickeln, und wir haben dann zu entscheiden, ob der Lkw zu zivilen oder militärischen Zwecken genutzt wird. Mit einem Antrag „Entwickelt uns einen Lkw, der auf keinen Fall für militärische Zwecke genutzt werden kann“ schieben wir unsere Verantwortung auf die Wissenschaft ab.

Daneben fordern Sie eine Offenlegung von Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Unternehmen. Diese Forderung unterstützen wir. Aber auch hier ist der Bund der falsche Ansprechpartner. Diese Forderung von Ihnen geht also ebenfalls ins Leere. Darüber hinaus fordern Sie, dass das Bundesministerium für Verteidigung keine Aufträge mehr an Universitäten vergibt. Damit könnte ich einverstanden sein, wenn klar wäre, was denn militärische Forschung ist. Hilfreicher wäre es, wenn Sie dazu eine Definition liefern könnten, aber Sie kommen auf das zentrale Problem des Dual Use nicht wirklich zu sprechen. Unter der Dual- Use-Problematik versteht man das Dilemma, dass zum
Beispiel einige Technologien militärisch wie auch zivil verwendet werden können. Aktuell debattieren wir Forschungspolitiker zum Beispiel über die Veröffentlichung der H5N1-Publikationen. Darin haben Forscher gezeigt, wie ein gefährliches Virus übertragbarer gemacht werden kann. Vor der Publikation wurden die Chancen – mögliche Erkenntnisse zur Bekämpfung einer Pandemie – und Gefahren – mögliche Nutzung als Waffe – gegeneinander abgewogen. Nach einer langen Diskussion kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass die Chancen die Gefahren überwogen. An diesem Beispiel sieht man bereits, wie komplex die Dual-Use-Problematik oftmals ist. Nur auf Verbot zu setzen, wie die Linken es tun, hilft uns nicht weiter. Dabei benutzen Sie selbst unklare Formulierungen wie dass Dual Use „weitestgehend verhindert wird“. Was heißt das konkret? Es muss vielmehr immer wieder abgewogen werden, und das nicht nur im Nachhinein, sondern die einzelnen Wissenschaftler müssen sich ihrer Verantwortung für ihre Forschung(-sergebnisse) insgesamt bewusster sein. Dieses wichtige Thema greifen Sie in Ihrem Antrag aber leider nicht auf. So fehlt bei Ihrem Versuch einer historischen Einordnung des Themas Rüstung und Wissenschaft dann auch, nicht ganz überraschend, ein Verweis auf die für den deutschen Wissenschaftsbetrieb so wichtige „Göttinger Erklärung“ von 1957. Die 18 Atomphysiker haben das Thema militärische versus zivile Forschung damals auf den Punkt gebracht. Zu Recht gilt die Erklärung auch heute noch als Gründungsdokument dessen, was wir unter Wissenschaftsethik verstehen.

Ebenso fehlt in Ihrem Antrag ein Abschnitt zur Friedens- und Konfliktforschung, zu der Wissenschaft also, die sich maßgeblich mit den Themen auseinandersetzt, wie Frieden erhalten und gestützt werden kann. Dabei wäre eine breite politische Unterstützung des Wissenschaftszweiges durchaus angebracht. Wie Sie zu diesem Thema stehen, muss der Leser Ihres Antrages hingegen erahnen. Vielleicht, weil auch hier Grenzen verwischen können?

Wie Sie wissen, habe ich mich in den letzten Jahren öfters zum zivilen Sicherheitsforschungsprogramm der Bundesregierung kritisch geäußert. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dabei immer wieder insbesondere die starke Technikzentriertheit und die Verengung des Sicherheitsbegriffs auf terroristische Anschläge bemängelt. Wir sehen heute, dass das Ministerium bei den Überlegungen zum neuen Sicherheitsforschungsprogramm einen Teil unserer Kritik aufgenommen hat. Das neue Programm ist jetzt breiter aufgestellt. Wir gehen davon aus, dass sich dies am Ende auch in den Ergebnissen widerspiegeln wird. Mögliche Anwender der erforschten Lösungsansätze sind THW, Feuerwehr und Polizei. Zu Recht gibt es in Deutschland die Trennung zwischen militärischer und ziviler Forschung. Allerdings wird in vielen Bereichen im Nachhinein bei Vorliegen der Ergebnisse eine Dual-Use-Diskussion möglich sein, ohne dass man sie vorher gesehen hat.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie sprechen in Ihrem Antrag viel über das, was Sie nicht wollen. Wie man aber tatsächlich militärische Nutzung eines für zivile Zwecke produzierten Forschungsergebnisses bereits vor Entstehung des Ergebnisses verhindern kann, wäre eine spannende Frage gewesen. Um eine Antwort aber mogeln Sie sich herum. So kann man den Antrag wohl folgendermaßen zusammenfassen: einige gute Grundideen, diese werden aber total durcheinander an den falschen Adressanten verschickt. Schade! Das so wichtige Thema Wissenschaft und Rüstung hätte mehr verdient.

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