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Wissenschaftsfreiheitsgesetz

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18.10.2012

René Röspel (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst, Frau Ministerin Schavan, herzlichen Dank, dass Sie mit relativ wenig Pathos und sehr sachlich in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz eingeführt haben.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist sie eben!)

Wir haben das in den letzten Wochen und Monaten in den Ausschussanhörungen oder in den Debatten manchmal durchaus etwas anders erlebt.

Wir debattieren heute in der Tat nicht über Wissenschaftsfreiheit. Das haben wir im Hohen Hause an anderer Stelle durchaus gemacht, immer dann, wenn die Wissenschaftsfreiheit wirklich tangiert war, bei embryonaler Stammzellforschung und Ähnlichem.

Beim Wissenschaftsfreiheitsgesetz geht es um die Flexibilisierung haushaltsrechtlicher Rahmenbedingungen der Forschung, also Erleichterungen im Wissenschaftsmanagement.

(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Es geht um die Freiheit! – Zuruf von der FDP: Das ist eine Initiative der FDP-Fraktion!)

Das ist eine Initiative der Großen Koalition von 2008. Ich habe schon damals kritisiert, dass der Titel eigentlich zu hoch gehängt ist, wenngleich viele der Maßnahmen für außeruniversitäre Einrichtungen durchaus sinnvoll sind. Wir stärken damit sozusagen ein Bein im Marathonlauf um ein besseres Bildungs- und Wissenschaftssystem in Deutschland und mehr Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich.

Aber auch das andere Bein muss man immer im Blick behalten: Das ist die universitäre Forschung. Im Hinblick darauf, wie die Hochschulen künftig aufgestellt sind, treibt uns doch die Sorge um. Auch dieses Bein muss weiterentwickelt werden. Leider geht die Debatte über die Änderung des Grundgesetzes heute Abend zu Protokoll. Wir hätten Ihnen gerne in dieser Debatte unsere Vorschläge vorgestellt, wie man dauerhaft, nachhaltig und sicher Bildung, aber auch universitäre Hochschulforschung und -lehre besser finanzieren kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist dringend notwendig; denn wenn Sie nur bei einem Bein den Muskel stärken, werden Sie feststellen, dass Sie irgendwann im Kreis laufen und nicht wirklich vorankommen.

Unabhängig davon bedeutet das Wissenschaftsfreiheitsgesetz für außeruniversitäre Einrichtungen sicherlich einen Fortschritt. Ich will den beiden Berichterstattern, Herrn Schipanski und Herrn Rehberg, ausdrücklich meinen Dank dafür aussprechen, dass sie unser Gesprächsangebot angenommen haben, zu schauen, an welchen Stellen wir gemeinsam noch etwas verbessern können. Daraus ist ein interfraktioneller Antrag geworden. Dass nun auch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und der DAAD in das Gesetz aufgenommen sind, ist sicherlich ein Fortschritt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das führt dazu, dass wir diese Initiative mit einer Enthaltung begleiten.

Zustimmen können wir leider nicht, weil wir an anderen Stellen – das werden Sie uns nachsehen – weiterhin Probleme oder Verbesserungsbedarf sehen. Wir hätten es zum Beispiel besser gefunden, wenn die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes verbindlicher in das Gesetz aufgenommen worden wären, als das jetzt über Maßnahmen haushaltsrechtlicher Art erfolgt. Dieser Punkt war uns wichtig; doch wir haben ihn leider nicht hineinverhandeln können. Schon jetzt erreichen uns Anfragen aus den entsprechenden Instituten,

(Klaus Hagemann [SPD]: So ist es!)

warum sie, die sie doch gute Forschung machen, nur deswegen, weil sie zum Bund gehören, von den Regelungen des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes keinen Gebrauch machen könnten.

Andere Punkte, die wir für wichtig und richtig halten – wir finden es gut, dass das endlich kommt –, sind Deckungsfähigkeit und Überjährigkeit. Nach der Vorlaufphase, die es gab, wird es den Instituten jetzt endlich möglich sein, Sachmittel, die nicht abgerufen worden sind, in Personalmittel umzuschichten und damit zum Beispiel für die nächsten Jahre einen Doktoranden zu finanzieren. Das ist wirklich gut für die außeruniversitäre wissenschaftliche Arbeit. Schlecht wäre es allerdings, wenn umgekehrt der Fall entstünde, dass vorhandene Personalmittel, die nicht abgerufen wurden, in Sachmittel umgewandelt werden und damit zum Beispiel – zugegebenermaßen ein extremes Beispiel – dem neuen Direktor eine Dienstvilla gebaut wird; im Gesetz steht ja auch etwas von baurechtlichen Erleichterungen. Wenn die Bürger uns fragen würden: „Warum macht ihr so etwas?“, könnten wir kaum sagen: Wir haben den Instituten 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt; was sie damit machen, wissen wir jedoch nicht.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wer macht denn so was? Das macht doch keiner!)

Deswegen ging es in einem unserer Anträge – er wurde im Ausschuss leider abgelehnt – um ein verbessertes Steuerungs- und Informationssystem, das das Parlament beschließt, um die Kontrolle nachvollziehbar und sichtbar zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Natürlich Kontrolle! Wie denn sonst?)

Wir sind es, die dem Bürger gegenüber zu rechtfertigen haben, was mit dem Geld, das den Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird, passiert. Das ginge über das hinaus, was in § 3 Abs. 3 des Entwurfs des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes steht; da kommt das aus unserer Sicht zu kurz. Da hätten wir uns eine stärkere parlamentarische Beteiligung gewünscht.

Gut für die außeruniversitären Einrichtungen ist sicherlich auch, dass man Berufungen, Neueinstellungen von Spitzenwissenschaftlern dadurch begleiten kann, dass man ihnen ein höheres Gehalt zahlt, als eigentlich vorgesehen ist – solange dieses zusätzliche Geld aus nichtöffentlichen Quellen kommt.

So gut das für die außeruniversitären Einrichtungen ist, so sehr sehen wir auch drei Probleme, die damit verbunden sind:

Erstens führt ein solches Verfahren zu einem Ungleichgewicht in den Instituten. Wir bekommen schon jetzt mit, dass sich viele Mitarbeiter zu Recht fragen, warum es eine Stärkung in der Spitze und nicht in der Breite gibt. Über das Tarifsystem in außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird an anderer Stelle, im Zusammenhang mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, zu reden sein.

Das zweite Problem, das wir sehen, ist: Wie steht es eigentlich mit der Unabhängigkeit von Spitzenwissenschaftlern, wenn künftig über private Industriebeiträge ein Teil ihres Gehalts finanziert wird? Kann Unabhängigkeit wirklich gewährleistet werden? Ich habe zwar erst einmal Vertrauen in die Wissenschaft,

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist gut!)

aber es ist ein schwieriger Ansatz, das muss man schon sagen.

Das dritte Problem, das wir sehen, ist: Wie ist das im Verhältnis zu Universitäten und Hochschulen, die es sich nicht leisten können, diesen zusätzlichen Zuschlag zu gewähren? Auch da ist die Balance zwischen außeruniversitärer und universitärer Forschung ein Problem.

Leider haben Sie unseren Antrag, etwas für den wissenschaftlichen Nachwuchs – und nicht nur für die Spitze – zu machen, im Ausschuss abgelehnt. Das hätten wir für gut befunden. Wissenschaftsfreiheit in unserem Sinne bedeutet nämlich auch, dass Wissenschaftler frei von Sorgen um ihre Existenz forschen und kreativ arbeiten können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das bedeutet, eine Zukunftsperspektive und vernünftige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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