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Haushaltsdebatte Einzelplan 30

22.11.2012

Rede auf Youtube anschauen

René Röspel (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte, die wir gerade geführt haben, bedürfte es eigentlich, dass man sie noch ein bisschen reflektiert. Es fällt mir gar nicht leicht, nach diesem schwierigen ethischen Thema wieder auf die Haushaltspolitik umzuschalten. Ich will aber trotzdem versuchen, jetzt den Angriff zu starten.

Es überkommt einen doch ein bisschen Wehmut, wenn man hier steht; denn das wird für viele Jahre der letzte Etatentwurf einer schwach-gelben Regierung im Bildungsbereich sein.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: War das polemisch? – Gegenruf des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Nein, das war daneben! Das war nicht polemisch!)

Dabei fing das damals gar nicht so schlecht an. Ich erinnere mich, dass Frau Bundeskanzlerin Merkel vor einigen Jahren fast wie das Ungeheuer von Loch Ness in der Bildungspolitik auftauchte:

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das hört sich aber jetzt ganz schlecht an!)

Sie verkündete die Bildungsrepublik Deutschland und tauchte dann wieder ab. Das war übrigens ein Plagiat; denn der Begriff „Bildungsrepublik Deutschland“ wurde viele Jahre vorher vom Wissenschaftsminister der SPD Jürgen Zöllner geprägt.

(Heiner Kamp [FDP]: Wer hat’s gemacht? – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

– Eben! – Bei Loch Ness überlegen einige, ob es dieses Ungeheuer wirklich gibt. Bei der Bildungsrepublik Deutschland ist die Meinung relativ einhellig: Sie ist nicht gekommen.

Es ist jetzt Zeit, Bilanz zu ziehen und zu fragen: Was haben denn die Menschen von diesen vier Jahren schwach-gelber Regierungszeit im Bildungsbereich gehabt? Woran werden sie sich erinnern? Was wird bleiben? Wir werden sicherlich gleich auch ein paar buchhalterische Reden hören, wie viel Geld ausgegeben worden ist. Wir finden es ausdrücklich gut, dass diese Regierung den Kurs fortgesetzt hat, den die rot-grüne Regierung 1998 begonnen hat,

(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Um Gottes willen!)

nämlich Bildung und Forschung endlich wieder einen neuen Stellenwert zu geben.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Nachdem der Etat jahrelang abgewirtschaftet worden war, hat Rot-Grün ihn wieder nach oben gefahren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben das in der Großen Koalition fortgesetzt. – Das war mein Lob an Sie. Wir finden es ausdrücklich gut, dass Sie das – nämlich Geld für Bildung und Forschung auszugeben – in Ihrer Regierungszeit fortgesetzt haben.

Wir sind überzeugt, dass es von Ihnen sehr klug war, einen Großteil dieses Geldes – 75 oder 80 Prozent; das kann man nicht genau beziffern – in Projekte zu investieren, die nicht diese Regierung auf den Weg gebracht hat, sondern eben die Vorgängerregierung. Das waren im Wesentlichen Projekte, welche die Sozialdemokratie auf den Weg gebracht hat.

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die Vorgängerregierung war auch gut! Dagegen kann man nichts sagen!)

– Herr Schirmbeck, es ist, wie es ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Den Pakt für Forschung und Innovation hat nämlich nicht die CDU/CSU ins Leben gerufen, sondern das war die SPD-Bildungs- und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn.

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das war auch wieder knapp daneben!)

Es war ein wichtiges Versprechen gegenüber Wissenschaftlern und Forschern, ihnen jedes Jahr einen kontinuierlichen Zuwachs an Geldmitteln für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen. Wir sind froh und dankbar, dass Sie das aufgenommen und sogar noch von 3 auf 5 Prozent pro Jahr erhöht haben.

Das zweite für diese Republik und für die Menschen so wichtige Projekt war die Exzellenzinitiative – auch dies war eine SPD-Initiative –, die viel Bewegung und Dynamik in die deutsche Forschungs- und Hochschullandschaft gebracht hat. Von dem dritten Projekt, dem Hochschulpakt, der mithilfe der SPD-regierten Länder geschlossen wurde, wird gleich noch die Rede sein.

Diese Projekte waren und sind wichtig. Es war gut, dass Sie viel Geld hineingesteckt haben. Aber wenn man sich den Haushalt genau ansieht, erkennt man, dass Sie die Mittel zwar 2013 noch einmal ein bisschen erhöhen – das ist das Wahljahr –, aber dann nicht das Versprechen halten, das wir alle gemeinsam den Wissenschaftlern gegeben haben, nämlich 2014 und 2015 erneut für einen Zuwachs zu sorgen.

(Zuruf des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU])

Die mittelfristige Finanzplanung – Herr Schirmbeck, lesen Sie es nach – weist keine Zuwächse mehr auf. Vielmehr werden die Ausgaben für Bildung und Forschung eingefroren. Das ist keine nachhaltige Politik. Unser Versprechen werden Sie 2014 und 2015 brechen – bzw. Sie würden es brechen, wenn Sie noch an der Regierung wären,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das Erste war gut! Sie unterstellen, dass wir dann regieren!)

worüber die Menschen nächstes Jahr entscheiden werden. Jedenfalls braucht man kein großer Prophet zu sein, um zu behaupten, dass diese Koalition nicht mehr an der Regierung sein wird. – Herr Braun möchte eine Zwischenfrage stellen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Bitte schön.

Dr. Helge Braun (CDU/CSU):
Herr Kollege Röspel, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass es die SPD war, die die Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht hat. Dann haben Sie darauf hingewiesen, dass Sie sich Sorgen um die Zukunft machen, weil die CDU/CSU-geführte Regierung keine ausreichenden Mittel in die mittelfristige Finanzplanung einstellt. Können Sie bestätigen, dass der damalige Finanzminister, der 2005 Steinbrück hieß, für die Exzellenzinitiative in der mittelfristigen Finanzplanung nicht einen einzigen Euro vorgesehen hatte?

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Unglaublich! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

René Röspel (SPD):
Es war in der Großen Koalition nicht immer einfach mit Ihnen als Partner.

(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden in unserem Wahlprogramm entsprechende Maßnahmen aufführen. Auch für diesen Haushalt hatten wir Maßnahmen vorgeschlagen, die dazu beitragen, dass man diese Programme weiterhin finanzieren kann. Wir wollen zum Beispiel höhere Steuereinnahmen über einen höheren Spitzensteuersatz und die Wiedereinführung der Vermögensteuer erreichen. Ich bin sehr gespannt, wie Sie diese Maßnahmen, wenn Sie sie denn fortsetzen möchten, finanzieren wollen. Dazu findet sich bei Ihnen überhaupt nichts. Sind Sie bereit, Steuern zu erhöhen? Wo wollen Sie einsparen, um die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation weiterzuführen? Nichts, aber auch gar nichts findet man bei Ihnen dazu. Ich bin gespannt, zu hören – das können die nachfolgenden Redner gleich erklären –, wie Sie das finanzieren wollen.

(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Machen wir noch!)

Ich denke, dass Sie nichts dazu sagen werden.

(Beifall bei der SPD)

An den Stellen, an denen Sie Verantwortung tragen oder überlegt haben, selbst Maßnahmen auf den Weg zu bringen, kann man wirklich nicht von Erfolgen sprechen. Wir haben Sie mehrfach aufgefordert, im Bereich der Validierungsforschung etwas zu tun. Dabei geht es um die Überlegung, wie man gute wissenschaftliche Ergebnisse aus den Hochschulen sozusagen kommerziell in Technologie umsetzen kann. Da haben Sie lange nicht reagiert. Dann hat das Bundesministerium die Fördermaßnahme VIP aufgelegt; das ist alles andere als Validierungsforschung. Das ist nichts anderes als fortgesetzte Projektförderung. Das überzeugt nicht wirklich.

Über das Deutschlandstipendium – eine Ihrer großen Hoffnungen – wird gleich noch etwas gesagt werden. Dafür reicht meine Redezeit nicht.

Sie haben das Vorhaben, steuerliche Forschungsförderung zu machen, also jene Unternehmen steuerlich zu entlasten, die in Forschung und Entwicklung investieren, in den letzten Jahren wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Dieses Vorhaben haben Sie nicht umgesetzt.

Ein letztes Beispiel: Im Rahmen des Programms „Zwanzig20“ wollen Sie in Ostdeutschland 500 Millionen Euro zu Forschungszwecken investieren. Auch dies ist im Haushalt nicht finanziell unterlegt. Das wird eine Luftnummer sein.

In anderen Bereichen, in denen tatsächlich mehr Investitionen stattfinden müssen – dies wird von Expertenkommissionen außerhalb der Regierung und des Parlaments gefordert –, kürzen Sie den Etat. Im Bereich der Mikrosystemtechnik kürzen Sie den Etat auf den Stand von 2009. Im Bereich der Produktionssysteme fahren Sie die Mittel herunter auf den Stand von 2009. Im Bereich der Dienstleistungs- und Arbeitsforschung wird es eine Kürzung der Mittel geben. Im Bereich der neuen Werkstoffe und der Nanotechnologie wird der Etat auf den Stand von 2009 abgeschmolzen. Dies alles sind Bereiche, die dazu beitragen, dass die mittelständische Industrie, dass Unternehmen neue Werkstoffe zur Verfügung gestellt bekommen; darauf sind sie angewiesen. Überall dort kürzen Sie. Sie kürzen sogar bei der Energieeffizienz und Energietechnologie. Auch die Mittel dieses für die Energiewende wichtigen Bereichs reduzieren Sie auf den Stand von 2009. Wenn man die Menschen fragt, was für sie Bildungsrepublik bedeutet, dann hört man: Sie machen sich zum Beispiel Sorgen, ob es gelingt, mehr Kindergartenplätze zur Verfügung zu stellen; sie wollen für ihre Kinder nämlich eine U-3-Betreuung. Aber: völlige Fehlanzeige bei dieser Regierung! Da passiert gar nichts. Sie bieten den Ländern nicht einmal in vernünftigem Maße Hilfe an.

Bei der Ganztagsschulbetreuung – viele Jahre von Ihnen bekämpft – passiert nichts, obwohl die Eltern und die Oberbürgermeister wissen, wie wichtig sie ist und wie wichtig auch eine Förderung des Bundes wäre.

Vom Kooperationsverbot und von der Möglichkeit des Bundes, den Kommunen, die kein Geld mehr haben, eine Hilfestellung zu geben, weil die Eltern dringend auf Unterstützung angewiesen sind, wird noch die Rede sein.

Das Fazit zum Thema Bildungsrepublik, die von Ihnen ausgerufen wurde, ist schlecht. Sie schleppen sich bis zum Wahltag. Für die Zeit danach haben Sie keine Visionen, Sie machen keine Angebote und stellen keine Überlegungen an, wie Ihre Vorhaben finanziert werden können. Eigentlich müsste man Ihnen wünschen, dass Sie eine weitere Legislaturperiode dranhängen müssen,

(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Da haben Sie ausnahmsweise mal recht! Das sollte man uns und den Menschen wirklich wünschen!)

damit Sie die Suppe, die Sie der nächsten Regierung eingebrockt haben, selbst auslöffeln müssen. Aber das darf nicht sein; denn Deutschland hat eine bessere Zeit verdient. Dementsprechend werden sich die Menschen im Herbst 2013 auch entscheiden.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]:
Herr Röspel, das können Sie aber eigentlich besser!)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: