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Bundesbericht Forschung und Innovation 2012

13.12.2012

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 13. Dezember 2012 zur Beratung durch die Bundesregierung zum "Bundesbericht Forschung und Innovation 2012"; Deutscher Bundestag, 214. Sitzung, TOP 30

René Röspel (SPD):
Da stehen nun endlich das seit März 2012 vorliegende Gutachten der „Expertenkommission Forschung und Innovation“, EFI, und der im Mai veröffentlichte Bundesbericht Forschung und Innovation, BuFi, auf der Tagesordnung der letzten Sitzungswoche im auslaufenden Jahr – und die Debatte wird zu Protokoll geschickt. Dabei handelt es sich beim BuFi nicht nur um eine Fleißarbeit des BMBF und eine gute Übersicht, sondern beim EFI um ein für Wissenschafts-, Bildungs- und Forschungspolitik in Deutschland wichtiges Gutachten. Aber vermutlich fürchtet die Bundesregierung ja die Kritik der EFI und eine offene Debatte darüber im Bundestag.

Dabei findet sich auch Lob im Bericht. Wenn man sich die Zahlen über Forschung und Entwicklung, FuE, im EFI wie auch BuFI anschaut, zeigt sich für Deutschland erst einmal ein gutes Bild. Im Jahre 2010 wurden 69,7 Milliarden Euro für FuE ausgegeben. Den allergrößten Teil davon bringen Unternehmen auf. Wenn man sich hingegen die Details anschaut, dann sieht das Bild schon weniger rosig aus. Denn die hohen Steigerungsraten gehen zum größten Teil auf wenige Branchen zurück, insbesondere auf die Automobilindustrie. Bei den für Deutschland ebenso wichtigen Branchen der pharmazeutischen und chemischen Industrie gingen 2010 die FuE-Aufwendungen hingegen zurück.

Das Problem wird möglichweise noch größer, wenn man bei der Automobilindustrie genau hinschaut, was sich hinter FuE verbirgt. Handelt es sich wirklich um „systematische, schöpferische Arbeit zur Erweiterung des Kenntnisstandes – auch mit dem Ziel, neue Anwendungen zu finden“, wie es die OECD definiert, oder versteht die Automobilindustrie unter Entwicklung auch die Konstruktion des neuen Kotflügeldesigns für den Modellwechsel, der zwar Unsummen verschlingt, aber keine Innovation darstellt?

In dem uns vorliegenden Bericht wird außerdem erneut darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland insgesamt im wachsenden Feld der Spitzentechnologie Defizite zu verzeichnen haben. Außerdem laufen Länder wie China, Indien oder Taiwan den bisherigen Spitzenreitern in diesem Industriebereich, welche meist westliche FuE-intensive Länder waren, langsam den Rang ab. Insbesondere China holt hier rasch auf. Der EFI-Bericht widmet diesem Land deshalb zu Recht eine ausführliche Analyse.

Intensiv setzen sich die Expertinnen und Experten auch mit dem deutschen Wissenschaftssystem und dabei insbesondere den Hochschulen auseinander. Dabei geht es, wie man in unserem Antrag nachlesen kann, neben den Universitäten immer auch um die Fachhochschulen. Bildung ist grundsätzlich Länderaufgabe. Und genau dort fehlt es dafür, auch aufgrund steuerrechtlicher Dummheiten dieser Bundesregierung, am nötigen Geld. Da Bildung, und das schließt natürlich die Schulen und Kitas mit ein, die Grundlage für Forschung und Innovationen darstellt, sprechen sich die Expertinnen und Experten der EFI-Kommission bereits seit längerem für eine Grundgesetzänderung aus. Die SPD-Bundestagsfraktion
unterstützt dieses Ansinnen.

Wenn die schwachgelbe Regierung schon nicht auf die SPD hören will, sollte sie vielleicht die Mahnung der EFI-Experten lesen: Die bemängeln ausdrücklich die Finanzierungsstruktur unserer Hochschulen und fordern die Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulen und zwar – der – Hochschulen und nicht nur einiger weniger exzellenter. Allerdings werden diese Anregungen von der Bundesregierung genauso ignoriert wie die Mahnungen der EFI in den letzten Jahren, dass die Ungerechtigkeit im deutschen Bildungssystem – in keinem anderen Industrieland hängt Bildungserfolg stärker von der sozialen Herkunft ab – beseitigt werden muss.

Im Vergleich zu vielen unserer europäischen Freunde, auch das zeigt das EFI-Gutachten, stehen wir im Bereich Forschung sehr gut da. Aber forschungspolitisch messen lassen müssen wir uns gerechterweise an den Stärksten weltweit. Wie die Expertenkommission schreibt, ist es angesichts der massiven Anstrengungen in anderen Ländern und der strukturellen Defizite Deutschlands fraglich, ob Deutschland seine bisher gute Position wird halten können.

Das EFI-Gutachten misst die Merkel-Regierung an ihren Versprechen. So wird unter anderem darauf verwiesen, dass CDU/CSU und FDP ihren Koalitionsvertrag nicht einhalten. Das wäre in anderen Teilen ja durchaus zu begrüßen. Aber hier geht es um die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung. Immer wieder hat die schwachgelbe Koalition diese steuerliche Förderung lauthals angekündigt, aber passiert ist nichts.

Ebenfalls angeprangert wird die schlechte Koordinierung der Energie-, Umwelt- und Innovationspolitik. Sprich: Frau Schavan, Herr Altmaier und Herr Rösler bekommen es einfach nicht hin, sich bei diesen Themen abzusprechen. Hierdurch wird die Energiewende, zu der diese schwachgelbe Bundesregierung erst nach Fukushima getrieben wurde, gefährdet. Das können wir uns nicht leisten, und das muss abgestellt werden. Die EFI 2010 sieht die „Energiewende als Chance für Innovationen“. Das sollte auch die Bundesregierung sehen. Gern hätte ich diskutiert und eine Aussage von Ihnen zu der Nachfrage von EFI zur Kernfusion und den explodierenden Ausgaben für ITER gehört, aber bei Reden zu Protokoll ist Dialog ja nicht möglich.

Aber es gibt auch noch deutliche Kritik von EFI am letzten zentralen Projekt dieser Bundesregierung. Die Expertinnen und Experten äußern sich nämlich auch zum Thema Betreuungsgeld. Nach deren Meinung – und auch diese teilen wir als SPD-Bundestagsfraktion voll und ganz – wirkt sich das Betreuungsgeld nämlich schädlich auf den Innovationsstandort Deutschland aus. Wenn das mal keine Klatsche ist! Da kann man fast verstehen, warum die Regierungskoalition über solche Gutachten lieber nicht öffentlich debattieren will. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und FDP, wenn Sie schon nicht auf Erzieherinnen und Erzieher bzw. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hören: Verschließen Sie sich jetzt auch noch den Volkswirtschaftlerinnen und Volkswirtschaftlern? So viel Taubheit aufseiten der Koalitionsfraktionen ist nicht mehr zu ertragen und gehört abgewählt.
Zum Glück müssen wir darauf nicht mehr lange warten.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: