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Nur eine Lösung zur Begrenzung des Klimawandels: Vermeidung von Kohlendioxid und Treibhausgasen

29.01.2015

Drucksache 18/2121

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe vier Vertreter des deutschen Volkes auf der Besuchertribüne!
(Heiterkeit)

Seien Sie herzlich gegrüßt! Der französische Romanautor Jules Verne – die Älteren unter uns kennen noch Kapitän Nemo und die Nautilus – hat 1889 den Roman „Der Schuss am Kilimandscharo" veröffentlicht. Dort beschreibt er im Prinzip das erste Geoengineering-Projekt der Welt. Seine Protagonisten versprechen den Menschen, die Jahreszeiten abzuschaffen, damit man es immer schön warm hat, jedenfalls auf der Nordhalbkugel. Sie arbeiten an einem Plan, den sie auch ausführen. Sie bauen eine große Kanone am Kilimandscharo und hoffen, dass sie mit dem Rückstoß beim Abschuss die Erdachse verschieben, sodass die Nordhalbkugel immer in der Sonne liegt. Das geht alles schief. Am Ende heiratet der Held wenigstens.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das kann auch schief gegangen sein. Aber soweit ich mich erinnere, ist es das erste Mal, dass ein Romanautor einen technischen Eingriff in das Klima beschreibt.
Es hat mehr als 100 Jahre gedauert, bis die Überlegung von Climate Engineering, also die Veränderung des Klimas, durch eine Umweltkatastrophe wieder Eingang in die öffentliche Diskussion fand. 1991 – auch daran erinnern sich vielleicht die Älteren unter uns – brach der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen aus. Dadurch wurden 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre getragen. Dies führte dazu, dass die Sonnenstrahlen in Teilen reflektiert wurden und die Erde sich weniger stark erwärmte. In den darauffolgenden zwei Jahren hat man tatsächlich eine Absenkung der globalen Temperatur um fast ein halbes Grad gemessen. Das heißt, die Partikel, die sich in der Stratosphäre infolge des Vulkanausbruches befanden, haben dazu geführt, dass weniger Sonnenlicht den Boden erreichte und erwärmte.
Der Nobelpreisträger für Chemie Paul Crutzen hat das im Jahr 2006 in einer wissenschaftlichen Arbeit aufgegriffen und überlegt, ob man den Klimawandel, der schon damals diskutiert wurde, nicht über eine solche Methode beeinflussen könnte. Er hat vorgeschlagen, Schwefeldioxid in großen Mengen in die Stratosphäre einzubringen, um die Erderwärmung zu reduzieren.
In Deutschland hat 2009 ein deutsch-indisches Projekt die Diskussion um Climate Engineering öffentlich gemacht und beschleunigt, nämlich das deutsch-indische Eisendüngungsprojet Lohafex. Das deutsche Forschungsschiff „Polarstern" hat im südatlantischen Raum 20 Tonnen Eisensulfat ausgebracht. Eisensulfat ist ein Mikronährstoff für Algen, den sie zum Wachstum brauchen. Man hat über die Ausbringung in einem begrenzten Gebiet versucht, das Algenwachstum anzuregen mit dem Hintergedanken: Wo Algen wachsen – das ist ein natürlicher Prozess –, binden sie Kohlendioxid aus dem Wasser und damit indirekt aus der Atmosphäre; wenn sie zu Boden sinken, nehmen sie das gebundene CO2 mit und reduzieren so den Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre.
Damals erschien ein Spiegel-Artikel dazu. Sowohl die Wissenschaft als auch die Politik waren von dieser Methode sehr überrascht, und in der Gesellschaft begann eine Diskussion darüber, ob man so etwas darf und welche Auswirkungen es hat. Dies führte am Ende zur Beauftragung des Büros für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages, das ein sehr bewährtes Instrument ist. Ich bedanke mich für die Gelegenheit, dass erstmals in den letzten Jahren ein TAB-Bericht einzeln diskutiert wird und nicht angehängt an ein anderes Thema. Dieser TAB-Bericht zeigt, welche Auswirkungen, welche Folgen und welche Potenziale Climate Engineering haben kann bzw. hat.
Neben den beiden genannten Beispielen möchte ich die beiden Methoden ansprechen, die im Vordergrund stehen: Das eine ist die Strahlungsabschirmung, Radiation Management, also Strahlungsmanagement. Das andere ist das Einfangen von Kohlendioxid, wie es bei Lohafex geplant war, dass man also versucht, Kohlendioxid aus der Atmosphäre oder dem Wasser zu binden und dann zu entfernen. Bei beiden Arten von Climate Engineering wissen wir, bestätigt durch den TAB-Bericht, dass die Auswirkungen völlig unklar sind.
Es gibt zwar keine Anwendung solcher Ideen bzw. Projekte. Aber wir wissen überhaupt nicht, was passiert, wenn wir in großem Maße Kohlendioxid, beispielsweise über Eisendüngung im Ozean, binden. Wir verzeichnen seit dem Klimawandel, seit dem Anstieg der Temperatur eine zunehmende Versäuerung der Ozeane. Wir wissen nicht, welche ökologischen Katastrophen es nach sich zieht, wenn die Ozeane nicht mehr als Brutstätte, als Geburtsort für Fische und andere Lebewesen zur Verfügung stehen, weil die natürlichen Bedingungen nicht mehr existieren.
Beim Radiation Management vermuten wir, dass eine der Auswirkungen sein könnte, dass zum Beispiel die mittleren Niederschläge nachlassen. Das wird einige Regionen freuen – Lüdenscheid wird sich freuen, weil es im Sauerland weniger regnen wird –, aber in anderen Breitengraden wird es katastrophale Folgen haben, wenn weniger Regen fällt.
Eine Schlussfolgerung des vorliegenden Berichtes ist, dass die Fragen, die wir haben, völlig ungeklärt sind. Wir wissen nicht, was im internationalen Kontext passiert, wenn ein Land Climate Engineering betreibt, aber die Auswirkungen in einem anderen Land zutage treten. Was bedeutet das völkerrechtlich? Wie ist das zu regeln? Im vorliegenden TA-Bericht werden entsprechende Vorschläge aufgeführt. Wir sollten uns überlegen, wie wir uns in Deutschland gegenüber Anwendungen wappnen können, und Verhandlungen auf internationaler Ebene aufnehmen, um dies endlich zu regeln.
Im TA-Bericht wird dazu aufgefordert, dass Deutschland im Bereich Climate Engineering weiter forschen sollte, aber nicht, um Anwendungen voranzutreiben. Vielmehr geht es darum, die Auswirkungen besser beurteilen zu können, um bei Diskussionen im internationalen Kontext kompetent mitreden zu können. Diese Aufforderung nehmen wir an.
Die größte Gefahr von Climate Engineering, die ich sehe, ist allerdings – damit komme ich zum Schluss –, dass wir uns in Sicherheit wiegen könnten, dass es irgendwann eine Anwendung gibt, mit der wir den Klimawandel, der sich bereits vollzieht, beherrschen können. Das Konzept, dass man für den Notfall gewappnet sein und bestimmte Technologien vorhalten sollte, ist der falsche Weg.
Uns allen sollte klar sein, dass es nur eine Lösung zur Begrenzung des Klimawandels gibt: die Vermeidung von Kohlendioxid und die Vermeidung von Treibhausgasen. Das heißt, mehr Investitionen in erneuerbare Energien, in Energieeffizienz und einen Umstieg in eine andere Energiepolitik. Das sind wir den künftigen Generationen schuldig. Das ist auch die Schlussfolgerung aus diesem Bericht.

Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

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