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Wir brauchen Schulsozialarbeit und Friedensforschung

24.11.2015

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mach' es kurz und schmerzlos!)
Es ist schon merkwürdig, wie sauber bei Regierung und Opposition zwischen Kritik und Lob getrennt wird. Ich finde, manchmal gehört auch ein bisschen Selbstkritik zum Lob dazu. Wenn man vier Sitzungswochen und dazwischen eine sitzungsfreie Woche hat, ist ein Praxis- oder Realitätscheck angebracht. Dann kann man sehen, was die Menschen im Wahlkreis von dem wahrnehmen, was wir im Bereich Bildung und Forschung machen. Ich habe fünf Beispiele aus der letzten Woche mitgenommen, die unseren Zustand aufzeigen.
Das erste Beispiel: Ich war am Sonntag beim Tag der offenen Tür des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie in Dortmund. Keine Angst, es ist nicht mein Wahlkreis, und es ist auch der falsche Fußballverein.
(Heiterkeit bei der SPD)
Ich kenne das Institut seit Mitte der 90-er Jahre. Damals herrschte verhaltener Optimismus; es gab gute Chemiker und Physiker – sie hatten interessanterweise damals keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Die wissenschaftliche Reputation, das Engagement waren eher verhalten. Am Sonntag war es ganz anders: neues Gebäude, 500 Mitarbeiter, man platzt aus den Nähten. Ich habe viele junge engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler getroffen, die begeistert Forschung machen, Topforschung; der neueste ERC Grant ist gerade eingeworben. Es ist eine ganz andere Stimmung als noch vor 20 Jahren. Ich finde, man wird auch in Jena und vielen anderen Universitäten und Hochschulen des Landes feststellen, dass sich vieles getan hat.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich will auch deutlich sagen: nicht erst seit 2005. Es war gar nicht so einfach; denn es war eine rot-grüne Koalition, die unter Bundesministerin Bulmahn den Pakt für Forschung und Innovation auf den Weg gebracht hat. Seitdem gibt es verlässlich mehr für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen; manchmal 3, manchmal 5 Prozent. Genau das war es, was sie gebraucht haben. Alle Fraktionen, jedenfalls bis zu dieser Stelle, von rechts aus gesehen, haben in den letzten Jahren ihren Beitrag geleistet. Wir alle können ein bisschen stolz darauf sein, dass Deutschland im wissenschaftlichen Bereich recht gut dasteht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zweites Beispiel. Ähnlich war es im Bereich der Fachhochschulen. Als wir uns 1998/99 den ersten Haushalt angesehen haben, handelte es sich um 10 Millionen D-Mark für die Fachhochschulen. Im Ministerium hatte man den Eindruck: Das ist ein Bereich, der sich totlaufen wird und für den sich keiner interessiert. Das war mühsame Arbeit. Auch da haben alle in den letzten Jahren mitgewirkt, dass wir mittlerweile einen Etatansatz von 48 Millionen Euro für die Forschung an Fachhochschulen haben. Das ist ganz wichtig und ein Motivationsschub. Damit können wir Verlässlichkeit hineinbringen. Auch hier haben viele ihren Anteil beigetragen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Letzte Woche hatte ich einen Termin zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz mit Fachhochschulen und Universitäten. Dabei handelt es sich eigentlich um einen Arbeitsrechtsvertrag. Es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber am Ende kamen wir zu dem grundsätzlichen Problem, dass die Hochschulen in diesem Land immer noch zu schlecht grundfinanziert sind und dass der Mittelbau wegbricht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das sagen wir doch!)
Das kann nur eine gemeinsame Aufgabe über den Hochschulpakt und über 2020 hinaus sein. Die BAföG-Mittel – das sind die Mittel für den Eurofighter 1990; wer sich daran erinnert. Das Geld haben wir verbraucht; das ist schon längst ausgegeben.
(Zuruf des Abg. Albert Rupprecht [CDU/ CSU])
– Stellen Sie eine Zwischenfrage, Herr Rupprecht. Darauf würde ich gerne antworten. Aber so viel Zeit habe ich jetzt nicht.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das traut er sich doch gar nicht!)
Ich finde, es bleibt eine gemeinsame Aufgabe. Wir können die Hochschulen nicht alleine lassen, die Länder und Kommunen auch nicht.
Drittes Beispiel. Ich habe mir im Wahlkreis das Projekt „JUGEND STÄRKEN im Quartier" angesehen, das drei Städte zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt machen. Hier geht es darum, jugendliche Schulabsenten, also Schulverweigerer, sozusagen von der Straße zu holen und dahin zu führen, dass sie wieder zur Schule gehen, und darum, sie dafür zu begeistern. Dieses Projekt wird übrigens vom Umweltministerium und vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert, nicht vom Bildungsministerium. Ich habe die Engagierten gefragt: Was braucht ihr, und was seht ihr als zentralen Punkt, um zu verhindern, dass Jugendliche in die Situation kommen, in der sie nicht mehr zur Schule gehen wollen und keinen Bock mehr haben? Da haben sie gesagt: Macht Schulsozialarbeit!
(Beifall bei der SPD – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ja, genau! Das brauchen wir!)
Ihr vom Bund habt mal ein Programm zur Schulsozialarbeit gemacht. Am besten ist es, damit in den Grundschulen anzufangen. Warum macht das der Bund nicht mehr? Es gibt doch ein Bundesbildungsministerium. – Da musste ich erklären, dass das Ministerium in der Regel mit beruflicher Bildung befasst ist, auch wenn es manchmal Pressemitteilungen zu Lesestart und anderen Bildungsmaßnahmen veröffentlicht, und dass es schwierig war, in den Koalitionsverhandlungen einen entsprechenden Beschluss mit dem Koalitionspartner hinzubekommen. Da müssen wir selbstkritisch sein und an uns selber appellieren: Wir müssen in diesem Bereich aktiv werden, wenn wir nicht wollen, dass wir Kinder und Jugendliche verlieren, die wir dann nur über Programme einfangen können, die schwierig aufzustellen sind, weil sie von zwei Ministerien finanziert werden müssen.
Das vierte Beispiel. Die Bundesagentur für Arbeit in Hagen hat einen Arbeitnehmertag durchgeführt, Stichwort: Arbeit 4.0. Da habe ich mich sehr gefreut, sagen zu können: Wir haben schon im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir Arbeitsforschung betreiben. – Ich will ausdrücklich sagen: Die Mittel in Höhe von 89 Millionen Euro in den Etats von 2015 und 2016 können ausgebaut werden; da müssen wir besser werden. – Das war aber ein Punkt, bei dem man gut zeigen konnte: Die Politik ist nicht hintendran, sondern hat das Thema auf dem Schirm. Wir müssen nämlich wissen, wie wir zukünftig arbeiten werden und was wir anbieten können.
Das fünfte Beispiel war mir eigentlich das liebste. Viele von Ihnen waren wahrscheinlich auch am Internationalen Tag der Kinderrechte in der letzten Woche an Schulen unterwegs. Ich war in einer dritten und vierten Klasse der Grundschule Pestalozzi in Gevelsberg und einer siebten Klasse des Ricarda-Huch-Gymnasiums in Hagen. Dort bin ich auf tolle Kinder gestoßen, die von ihren Lehrern gut vorbereitet waren und ganz viele Fragen hatten. Als ich sie gefragt habe: „Was meint ihr, was für euch wichtige Rechte sind?", haben sie geantwortet: Nicht geschlagen zu werden, keinen Krieg zu erleben, mit den Eltern zusammen zu sein. – Das fand ich spannend.
Es gab ganz viele spannende Fragen der Kinder. Eine Frage war, was wir denn machen, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Da konnte ich sagen, dass wir im Forschungsbereich ein Programm haben, mit dem wir bekämpfen, dass Krankheiten in der Dritten Welt ganze Länder lahmlegen, so wie es bei Ebola der Fall war. Ich konnte also ein positives Beispiel dafür nennen, was wir hier tun. Da müssen wir aber noch zulegen.
Die zweite Frage: Wie kann man eigentlich Konflikte und Krisen verhindern, und was kann man tun, wenn sie ausgebrochen sind? Da konnte ich darauf verweisen – danke an die Haushälter –, dass wir mehr Geld für Friedens- und Konfliktforschung ausgeben,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
weil es ganz wichtig ist, zu wissen, wie Kriege entstehen und wie man sie möglicherweise verhindern oder wieder eindämmen kann.
Ein letzter Punkt, der mich sehr beeindruckt hat – Väter und Mütter kennen das –: die Angst der Kinder, von ihren Eltern getrennt zu sein. Diese Angst habe ich sehr häufig wahrgenommen; die Kinder meinten das ganz ernst. Auf eine entsprechende Frage hin habe ich gesagt: Ich halte es für unmenschlich, wenn man Kinder von ihren Eltern trennt. – Jetzt hat die CSU, liebe Kollegen, am Samstag die Forderung beschlossen, den Familiennachzug größtmöglich einzuschränken. Da bin ich gespannt, was Sie eigentlich diesen Kindern antworten würden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank, Herr Kollege Röspel. – Sie haben am Anfang gesagt, dass der BVB der falsche Verein ist. Als Fußballfan bin ich jetzt natürlich interessiert, zu wissen, was denn der richtige Verein ist.
(René Röspel [SPD]: Schalke!)
– Kein Kommentar.

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