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Die letzte Generation, die den Klimawandel aufhalten kann

28.01.2016

(Drucksache 18/7048)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich finde die Initiative gut. Es ist immer wichtig, an diesem Ort über Klimaschutz, Klimaforschung und Klimawandel zu reden. Aber ich finde es genauso wichtig, zu unterscheiden zwischen Klimaforschung auf der einen Seite und Klimaschutz auf der anderen Seite, weil das schon ein Unterschied ist.
Klimaforschung bedeutet, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen, wie sich die Eismassen auf der Welt verändern, welche Auswirkungen Treibhaus und Klimagase auf die Versäuerung des Ozeans und der Meere haben und welche Botschaften das für uns und die Politik sind. Das ist Klimaforschung: wissenschaftliche Fakten zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt zum Beispiel, dass jedes Jahr – als neue Erkenntnis – 500 Kubikkilometer Landeis verloren gehen, indem sie schmelzen und in das Wasser geraten. Das ist so viel, als würde man die Fläche von Hamburg mit einer 600 Meter hohen Eisschicht bedecken. Das ist Klimaforschung und Klimafolgenforschung.
Der andere Teil ist Klimaschutz. Es besteht eine wissenschaftliche Verantwortung, Lösungsvorschläge anzubieten, aber es besteht in erster Linie eine gesellschaftliche und politische Verantwortung, mit den Erkenntnissen aus der Klimaforschung umzugehen und eben Handlungsoptionen anzubieten. Da hat Barack Obama es auf den Punkt gebracht: Wir alle, die wir hier in diesem Raum sitzen, sind die erste Generation, die den Klimawandel erleben wird, und wir sind gleichzeitig die letzte Generation, die ihn aufhalten kann, die ihn noch positiv verändern kann. Und das ist eine Anforderung an Politik und an Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich finde es sehr richtig, beides tatsächlich zu trennen: Klimaforschung und Klimaschutz. Klimaforschung ist wichtig, wird weiter gefördert werden. Aber wenn wir die nächsten Jahre nur darauf warten, welche Ergebnisse noch kommen, wird es zu spät sein. Unsere Verantwortung ist, Klimaschutz zu betreiben. Ich bin sehr überzeugt – das müssen wir hinkriegen –, dass möglichst viel Kohle, Gas und Erdöl im Boden bleiben müssen und nicht verbrannt werden dürfen. Das müssen wir politisch organisieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das, was mir an diesem Antrag wirklich nicht gefällt, ist, dass vieles von beidem durcheinandergeht.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein forschungspolitischer Antrag! Ich glaube, Sie sind durcheinander!)
Sie schreiben beispielsweise: „Seit Jahrzehnten wird hierzulande Klimaforschung auf internationalem Spitzenniveau betrieben." Das ist richtig, hat Kai Gehring auch gesagt. Einen Satz danach heißt es: „Eine führende Rolle beim Klimaschutz hat unser Land dennoch längst eingebüßt." Ich bin sehr überzeugt: Das ist falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben den Antrag am 16. Dezember geschrieben. Das war wenige Tage nach der Klimakonferenz in Paris. Ich finde, dort ist ein grandioser Erfolg erzielt worden, vor allem unter deutscher Beteiligung. Dafür hätte ich Barbara Hendricks gedankt, wenn sie hätte hier sein können, weil Deutschland da eine führende Rolle gespielt hat.
Das 1,5-Grad-Ziel hätten wir uns vor vielen Jahren noch nicht träumen lassen. Wir hätten uns vor allen Dingen nicht träumen lassen, dass 195 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dieses Ziel mittragen. Dazu bedarf es eines einvernehmlichen Beschlusses der UN-Konferenz, und den zu erreichen, ist ganz schwierig.
Zweifelsohne hätten wir mehr erreichen wollen, aber es mussten alle 195 Staaten, die völlig unterschiedliche Interessen haben, zustimmen. Deswegen finde ich, dass das ein großer Erfolg ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist auch national gesehen falsch, wenn Sie schreiben, dass unser Land die führende Rolle beim Klimaschutz längst eingebüßt habe. Ich finde, das stellt infrage, was alle Fraktionen in unterschiedlichen Koalitionen in den letzten 15 Jahren auf den Weg gebracht haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Können wir jetzt über Klimaforschung sprechen?)
Man kann sich alles besser vorstellen. Klimaschutz wird auch international funktionieren. Ich erinnere an Matthäus 7, Vers 12: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen. – Wir in der Bundesrepublik Deutschland müssen gut vorangehen und zeigen, dass die Bekämpfung des Klimawandels möglich ist und dass die Energiewende möglich ist. Ich finde auch, dass wir in Deutschland noch längst nicht alles geschafft haben, aber wir haben viel in den letzten 15 Jahren geschafft.
Ich weiß nicht, was ich geantwortet hätte, wenn man mich vor 20 Jahren gefragt hätte, wie ich die Lage in den Jahren 2015 oder 2016 einschätze. Ich hätte aber sicherlich nicht zu träumen gewagt, dass wir ein Drittel unseres Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stellen werden. Das ist schon ein gewaltiger Erfolg. Wir müssen besser werden; das ist gar keine Frage, und das ist unsere Verantwortung. Das betrifft aber den Klimaschutz, nicht die Klimaforschung.
Wenn Sie beispielsweise in dem Grünenantrag das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" oder das Forschungsrahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung" als zu wenig forschungsorientiert bewerten, dann ist das in großen Teilen tatsächlich richtig. Aber das sind per se keine Forschungsprogramme, sondern gerade das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" ist ein Klimaschutzprogramm, bei dem geschaut wird, wo wir uns in Schulen, Bildungseinrichtungen, an Hochschulen, in der Wirtschaft, beim Verkehr, beim Städtebau und beim Bauen tatsächlich klimaschutzdienlich verhalten können und was wir tun können, damit Klimaschutz tatsächlich verwirklicht wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deshalb brauchen wir ein Rahmenforschungsprogramm!)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage?
René Röspel (SPD):
Wenn ich den Satz in Ruhe lese – –
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Ich rede mit Ihnen. Entschuldigen Sie. – Ich wollte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage der Kollegin Annalena Baerbock erlauben.
René Röspel (SPD):
Gerne.
Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Kollege Röspel, Sie haben gesagt, man müsse Klimaforschung auf der einen Seite und Klimaschutz und Klimapolitik auf der anderen Seite trennen. Deswegen frage ich Sie: Ist Ihnen bewusst, welche Rolle eigentlich die führenden Klimawissenschaftler gerade auf der Klimakonferenz in Paris gespielt haben? Professor Schellnhuber zum Beispiel war mehrfach Seite an Seite mit der Bundesregierung vor Ort, um die Forschungsergebnisse dort zu präsentieren, zu erklären und daraus politische Handlungsempfehlungen anzubieten.
Ich erinnere auch an den Kollegen Edenhofer, der aus der Klimaforschung abgeleitet hat, was die Erderwärmung eigentlich bedeutet. Er hat dargestellt, was das für die Weltwirtschaft bedeutet. Es ging auch um die Frage des CO2-Zertifikatehandels. Es wurden auch Wirtschaftsketten, die durch den Klimawandel ausfallen, thematisiert. Diese gesamte Komplexität hat auf der Klimakonferenz deutlich gemacht, dass es einer starken Klimawissenschaft bedarf. Deswegen machen wir in unserem Antrag deutlich, dass wir einen Bereich zwar sehr gut erforscht haben, auf der anderen Seite aber aus der Klimawissenschaft hören, dass wir dieses Zusammenbringen brauchen; denn jetzt steht die Dekade der Transformation an. Aber gerade diese Transformationsforschung in diesem Bereich haben wir in Deutschland nicht.
Dasselbe gilt für die Klimaanpassung. Auch da steckt die Forschung in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Es geht um die Frage, wie wir eigentlich mit der Klimaveränderung umgehen und was diese politisch für uns bedeutet. Wie können Sie das trennen, wenn die Politik auf die wissenschaftlichen Ergebnisse angewiesen ist?
René Röspel (SPD):
Ich werde nicht so ausführlich antworten. – Vielen Dank für die Frage, aber Sie haben es nicht geschafft, einen Widerspruch aufzubauen; denn allein die Tatsache, dass Klimaforschung in Deutschland exzellent ist und weltweit anerkannt wird, zeigt, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Ich erinnere an das deutsche Forschungsschiff „Polarstern", die Stationen in der Antarktis und in der Arktis, das Alfred-Wegener-Institut und die Helmholtz-Institute. All das hat dazu geführt, dass Schellnhuber, Edenhofer und Mojib Latif genau die Experten sind, die weltweit Anerkennung genießen. Diese entfalten über ihre Forschungsbeiträge international große Wirkung.
Es besteht die Gefahr – es gibt international immer wieder entsprechende Bestrebungen –, dass erst noch fünf Jahre weitergeforscht wird, und dann schaut man einmal, was passiert. Ich sage ganz deutlich – ich habe es auch bisher nicht anders getan –: Wir brauchen weiterhin Klimaforschung; aber es ist unsere Verantwortung, Klimaschutz zu betreiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Darum geht es nicht! Aber das BMWF kann Klimaforschung besser unterstützen!)
Sie vermischen das in Ihrem Antrag. Deswegen, glaube ich, muss man das sauberer trennen. Wenn Sie schreiben – das ist ein weiterer Widerspruch in Ihrem Antrag –, dass die Klimaforschung im Moment gegenüber der Energieforschung ins Hintertreffen zu geraten droht, dann bin ich wirklich zwiegespalten. Wir brauchen Klimaforschung – wir werden sie ausbauen –, aber wir müssen die Priorität deutlich auf Energieforschung setzen; denn wir wissen – dementsprechend ist unsere Verantwortung –, dass bereits in dieser Generation der Großteil der Energiewende geschafft werden muss. Wenn ich mich für eines entscheiden müsste, wäre Energieforschung mir wichtiger als Klimaforschung.
Aber wir lassen nicht zu, dass eine solche Entscheidung getroffen werden muss. Während der Bundesetat für Klimaforschung vor zwei Jahren noch bei 81 Millionen Euro lag, liegt er 2016 bei 99 Millionen Euro. Das heißt, wir haben eine deutliche Steigerung der Mittel im Klimaforschungsbereich, und das ist auch gut so; denn wir müssen weiterhin wissen, wie sich die von mir vorhin genannten Beispiele regional auswirken, was den Klimawandel betrifft, und wir müssen im Forschungsbereich deutlich weiterkommen.
Sie sprechen richtigerweise die Vernetzung an. Das ist genau der Punkt, an dem ich mich frage, ob ein neues Rahmenforschungsprogramm für Klimaforschung – nicht für Klimaschutz – eigentlich der richtige Ansatz ist. An dieser Stelle bin ich wirklich skeptisch. Es gibt seit 2009 das Deutsche Klima-Konsortium. Darin sind wirklich alle – auch weltweit – angesehenen deutschen Forschungseinrichtungen vertreten: Helmholtz-Institute, Leibniz-Institute, Max-Planck-Institute und auch – ganz wichtig – Universitäten wie die in Kiel, Bremen und Hamburg, sogar deutsche Behörden wie der Deutsche Wetterdienst oder das Umweltbundesamt. Sie betreiben gemeinsam Klimaforschung. Sie machen sich gemeinsam auf den Weg, Vorschläge zu entwickeln, wie Klimaforschung funktionieren muss.
Das Positionspapier – wie ich gesehen habe, hat sich Kai Gehring einiges aufschreiben lassen –
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann auch selber schreiben!)
enthält vieles, was wir im Klimaforschungsbereich machen müssen, bis hin zur Lösung der Fragen – das unterliegt aber der politischen Verantwortung –, wie wir etwas in die Gesellschaft einführen, wie wichtig die Reaktion auf Klimawandel ist und wie wir über sozialwissenschaftliche Forschung dazu beitragen können, dass deutlicher kenntlich gemacht wird, wie wichtig es ist, unser Verhalten zu verändern, energieeffizienter und sparsamer zu werden sowie auf andere Energien zu setzen.

Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: