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Hightech-Strategie für Deutschland

08.11.2007

Rede zum Ersten Fortschrittsbericht zur Hightech-Strategie für Deutschland
sowie zur Beschlussempfehlung und zum Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag "IKT 2020: gezielte Forschungsförderung für zukunftsträchtige Innovationen und Wachstumsfelder im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)" und dem Antrag "Innovationsfähigkeit stärken durch Bildungs- und Forschungsoffensive" (Drs. 16/5900, 16/5899, 16/6923)


An dieser Stelle können Sie sich die Rede auf Bundestags-TV anschauen.

René Röspel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute hier versammelt, um das erste Jahr Hightechstrategie gemeinsam zu betrachten. Das Ziel der Hightechstrategie ist es, Wirtschaft und Wissenschaft in gemeinsamen Projekten und Kooperationen zu vernetzen, weiter voranzubringen und vor allen Dingen neue Leitmärkte zu erschließen und zu identifizieren; denn das braucht Deutschland als Hightechstandort in der Welt.

(Beifall bei der SPD)

Deutschland steht als Exportweltmeister gut da. Dieser Erfolg wird aber von relativ wenigen Branchen getragen. Der Vizepräsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft hat das im Februar 2007 einmal so ausgedrückt:
Der FuE-Standort Deutschland
- also der Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland -
steht und fällt mit der Entwicklung im Kraftfahrzeugbau, der gut ein Drittel der FuE-Aufwendungen bestreitet.
Jeder dritte Forschungseuro wird im Kfz-Bereich ausgegeben. Jeder vierte Forscher arbeitet im Automobilbereich.
Dieser Erfolg kann zur Falle werden. Ein Fuhrunternehmer, der ein starkes Zugpferd hat, auf das er seinen Erfolg gründen kann, bekommt ein Problem, wenn dieses Pferd ausfällt, kränkelt, schwächelt oder gar nicht mehr existent ist. Es kann seine Existenz kosten, wenn er nicht rechtzeitig für Nachwuchs bzw. Ersatz gesorgt hat.

Deshalb ist es wichtig, über die Hightechstrategie neue Innovationsbereiche zu identifizieren, in denen wir neue Technologien entwickeln und damit auch sichere neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen können. Deshalb ist die Hightechstrategie ein guter Schritt in die richtige Richtung. Im vorliegenden Fortschrittsbericht wird eine ganze Menge von Projekten genannt, die bereits begonnen haben und positiv bewertet werden können.

Als Beispiel möchte ich die Umwelttechnik nennen. Frau Pieper, Sie haben gerade zu Recht gesagt, dass die Liberalen immer gefordert haben, dass Deutschland auf diesem Gebiet Technologieführer werden muss. Sie haben das nur nie realisiert. Wir haben es gemacht, als wir 1998 zusammen mit den Grünen an die Regierung gekommen sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

In der neuen Koalition setzen wir das jetzt fort.
Der Bereich der Umwelttechnik ist ein klassisches Beispiel dafür, dass Deutschland im Bereich Sonne und Wind mittlerweile an der Weltspitze steht und da vernünftige Möglichkeiten des Ausbaus hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

420 Millionen Euro werden wir bis 2009 in diesem Bereich investieren, um neue Technologien weiter zu heben und sie zu fördern, damit sie auf dem Weltmarkt bestehen können.

(Beifall bei der SPD)

Immerhin sind wir Umwelttechnologieexporteur Nummer eins.

Frau Schavan schreibt im Fortschrittsbericht richtig, dass Ökotechnik mittlerweile zum Jobmotor entwickelt worden ist. Das gilt für viele Bereiche; man kann zum Beispiel die Gesundheitsforschung und Medizintechnik nennen. Das ist eines der 17 Innovationsfelder, die sicherlich und hoffentlich jeden von uns bezüglich neuer Technologien, die wir nutzen können, betreffen werden. Im Bereich der optischen Technologien, Mikrosystemtechnologien und Werkstofftechnologien werden neue Materialien für das Exportland Deutschland entwickelt. Wenn wir diese Technologien weiterentwickeln, werden wir am Ende sehen, dass wir nicht nur den Export stärken, sondern auch eine positive Bilanz für Umwelt und Klima und am Ende für die Arbeitsplätze im Inland ziehen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bei allem Lob gibt es aber auch Kritik. Wir werden die Hightechstrategie in einigen Bereichen kritisch weiter begleiten. Das betrifft das Innovationsfeld Sicherheitsforschung. Auf Seite 42 im Bericht steht - ich darf zitieren -:
Ziel der Sicherheitsforschung ist es, die Freiheit der Bürger zu schützen.

(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Genau!)

Das ist falsch formuliert. Es weckt auch eine falsche Hoffnung. Ich glaube, es wäre besser wie folgt formuliert: Ziel der Sicherheitsforschung muss sein, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und weiterzuentwickeln, und zwar ohne Freiheitsrechte der Bürger abzubauen oder einzuschränken.

(Beifall bei der SPD)

Dass es ein wichtiges Spannungsfeld ist, haben wir vor zwei oder drei Wochen als SPD-Fraktion auf einer Konferenz zur Sicherheitsforschung feststellen können. Dort haben wir uns den Fragen gewidmet: Wie kann man eigentlich Sicherheit für die Bevölkerung feststellen und sicherstellen? Wo liegen die tatsächlichen Bedrohungsszenarien? Die Fokussierung auf die üblichen Punkte Terrorismus und Kriminalität ist zu kurz gegriffen. Der Sicherheitsbegriff und die Bedrohungspotenziale müssen weiter gefasst werden. Dazu gehören eben auch Naturkatastrophen; das ist unstrittig.

(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Das steht doch alles drin!)

Es ist klar: Wir brauchen einen breiter als bisher definierten Sicherheitsbegriff. Ich persönlich glaube, dass - das haben wir, wenn wir es nicht schon vorher wussten, auf dieser Konferenz eindrücklich gelernt - die zunehmende Verwendung biometrischer Daten im öffentlichen Bereich, zum Beispiel bei Personalausweisen, nicht unbedingt mehr Sicherheit für die Gesellschaft bringt, sondern vielleicht sogar das Gegenteil.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Das gilt es bei künftigen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Ich will mich noch einem anderen Thema widmen, über das in letzter Zeit diskutiert wird, nämlich der Frage, wie es mit der finanziellen Förderung von Forschung in Deutschland weitergehen soll. Klassischerweise fördern wir in Deutschland Institutionen oder Projekte; wir geben staatliche Gelder, um Forschung zu finanzieren. Aber es wird zunehmend darüber diskutiert, inwieweit man steuerliche Anreize für solche Unternehmen entwickeln sollte, die Forschung und Entwicklung betreiben.
Ich glaube, es ist wichtig, neue Innovationsfelder zu erschließen, die von der Wirtschaft ohne staatliche Förderung nicht entwickelt worden wären. Diese Beispiele gibt es im Umweltbereich und in vielen anderen, die sich mittlerweile als Erfolg erwiesen haben. Wir müssen Impulse geben und eine Anschubfinanzierung ermöglichen. Wichtig ist aber auch, Mitnahmeeffekte in Bereichen zu verhindern, die sowieso von der Wirtschaft erschlossen werden können.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Wissing?

René Röspel (SPD):
Aber gerne.

Dr. Volker Wissing (FDP):
Kollege Röspel, Sie haben eben gefordert, steuerliche Anreize für Unternehmen zu schaffen, die besonders viel in Forschung investieren. Teilen Sie meine Auffassung, die übrigens auch von der forschungsintensiven Industrie in Deutschland geteilt wird, dass die Große Koalition mit der Unternehmensteuerreform gerade die forschenden Unternehmen in besonderem Maße zusätzlich zur Kasse bittet?

(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)

René Röspel (SPD):
Erstens habe ich nicht gefordert, steuerliche Anreize einzuführen, sondern gesagt, dass eine Diskussion darüber ansteht.

(Lachen bei der FDP)

- Ja. - Ich will Ihnen durchaus selbstkritisch ein Beispiel nennen. Am Montag ist im Rahmen der Hightechstrategie die Innovationsallianz „Lithium Ionen Batterie LIB 2015“ gestartet worden. Sicherlich ist grundsätzlich richtig, Energiespeicherung zu fördern. Dieser Bereich ist hochinteressant. Es geht zum Beispiel darum, wie wir den Strom aus Windkraftanlagen speichern. Zusammen mit einem Industriekonsortium, dem BASF, Evonik, Volkswagen und Bosch angehören, wird nun Forschung hinsichtlich der Lithium-Ionen-Batterie betrieben.

Das ist ein Bereich, der schon im Markt etabliert ist - diese Technologie finden Sie beispielsweise in Ihrem Handy oder in Ihrem Laptop - und den die Wirtschaft selber weiterentwickeln könnte.

(Zuruf von der FDP: Das hat nichts mit der Frage zu tun!)

- Das hat mit der Frage etwas zu tun. Schauen Sie sich einmal die Finanzierung an! Das Industriekonsortium wird 360 Millionen Euro beisteuern, das BMBF 60 Millionen Euro. Nun kann man sich darüber unterhalten, ob Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben, steuerlich stärker gefördert werden sollten. Diesbezüglich ist es hilfreich, die Bilanzen dieser Unternehmen zu betrachten.

(Zuruf von der FDP: Sie vertreiben sie gerade! - Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Halt! Halt! - Ulrike Flach [FDP]: Er redet von Batterien statt von Steuern!)

- Nein, ich sage Ihnen eines ausdrücklich: BASF - eine der Firmen, die diesem Industriekonsortium angehören - hat 2006 einen Überschuss nach Steuern von 2 Milliarden Euro erwirtschaftet, und beim Volkswagen-Konzern waren es nach Steuern 2,5 Milliarden Euro. Mit Blick auf diese Zusammenhänge halte ich es für falsch, zu fordern, diese Unternehmen auch noch steuerlich zu entlasten.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der FDP)

Die Antwort auf die zweite Frage. Die Unternehmensteuerreform hat für viele Unternehmen Entlastungen gebracht, und sie wird es nicht behindern, dass weiterhin Forschung und Entwicklung betrieben werden.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen muss man sehr kritisch sehen, in welchen Bereichen es nutzt und in welchen Bereichen es zu Mitnahmeeffekten führen wird. Ich glaube, dass die Mitnahmeeffekte überwiegen werden. Wir wissen, dass 88 Prozent der Forschung und Entwicklung in Deutschland von großen Konzernen, dass aber nur 12 Prozent von KMU geleistet werden. Diese müsste man eigentlich fördern. Ob wir dies über einen steuerlichen Anreiz für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten erreichen können, bezweifle ich stark,

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

und die Erfahrungen, die Frau Flach während einer Reise nach Kanada sammelte

(Jörg Tauss [SPD]: Spannend!)

und über die sie in der letzten Sitzungswoche sprach, waren interessant. Denn dort stellt es sich nicht als so gut und interessant heraus, wie Sie es uns hier gerade darzustellen versuchten.

Wir sind diesbezüglich sehr offen, und es wird im nächsten Jahr Vorschläge dazu geben. Diese werden wir ernsthaft bewerten. Es darf jedoch nicht sein, dass Mitnahmeeffekte entstehen. Ziel muss es vielmehr sein, dass Politik und Wirtschaft gemeinsam Verantwortung tragen. Die Politik macht das gerade, indem sie hohe Investitionen - es sind weit mehr als 6 Milliarden Euro - für die Entwicklung neuer Technologien bereitstellt. Gerade vor dem Hintergrund solcher Gewinnzahlen, wie ich sie eben nannte, sind auch die Unternehmen gefordert, statt Arbeitsplätze abzubauen, wie sie es zurzeit machen, in mehr Personal zu investieren, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, mehr gute Ingenieure einzustellen und den Anteil an F und E über mehr Einstellungen von Menschen zu erhöhen. Dann bekommen wir nämlich viele gute Zugpferde, die Deutschland weiter nach vorne ziehen können.

(Beifall bei der SPD)

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: