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Das Thema "Kinderwunsch" gehört nicht in die parteipolitische Auseinandersetzung

29.12.2019

In nur wenigen gesellschaftlichen Bereichen wird mit persönlichen Ängsten und Hoffnungen von Menschen so leichtfertig umgegangen wie mit dem verständlichen und nachvollziehbaren Wunsch nach Kindern. Ein solches Thema gehört nicht in parteipolitische Auseinandersetzungen, sondern differenziert betrachtet. Natürlich dürfen medizinisch notwendige Behandlungen „nicht vom Geldbeutel abhängen“ und keine Unterschiede gemacht werden - deshalb bin ich ja seit langem für die Einführung der Bürgerversicherung. Darum geht es aber nicht. (Ich hatte bereits zum am 18.6.16 in der WP erschienenen Bericht über das Hagener „Kinderwunschzentrum“ einen Leserbrief verfasst, der leider nicht abgedruckt wurde  https://www.roespel.de/kontext/admin/controllers/article.php?action=show&id=217)

Die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat sich vor anderthalb Jahrzehnten sehr intensiv (und über Parteigrenzen hinweg) u.a. mit dem Thema der Künstlichen Befruchtung (IVF) befasst. Nicht unter dem Gesichtspunkt, wie Kosten eingespart oder Geld verdient werden kann (denn das ist ein Bereich, mit dem viel Geld verdient werden kann) - sondern schlicht aus der Perspektive von Paaren und insbesondere Frauen, die unter Kinderlosigkeit leiden. (Dabei sind medizinische Indikationen ausgenommen, wobei die Definition der Weltgesundheitsorganisation aus meiner Sicht nicht tauglich ist, nach der Unfruchtbarkeit vorliegt, wenn „nach 1 Jahr trotz regelmäßigen ... Geschlechtsverkehrs ... keine Schwangerschaft entsteht“). Wir haben auch Paare und Frauen zu Wort kommen lassen, die Jahre lang vergeblich mit viel Geld versucht hatten, ein Kind zu bekommen. Ja, es ist ein Segen, wenn dank IVF Paare ein Kind bekommen, aber es kann sich auch zum Fluch entwickeln (vor allem für die Frau), wenn es nicht funktioniert.

Die Kommission hat damals das Thema sehr umfassend betrachtet: Von den medizinischen Möglichkeiten bis hin zu den sozialen Einflüssen. Sie hat sich auch befasst mit den menschlichen Katastrophen, die daraus entstehen können, dass nach immer wieder vergeblichen Versuchen gerade Frauen in eine Spirale der Vergeblichkeit und unerfüllten Hoffnung gezogen statt mit der notwendigen Wahrheit der Aussichtslosigkeit konfrontiert zu werden. Aus dieser Erkenntnis heraus ist auch die Regelung 2004 entstanden, dass die Kosten für drei Behandlungen für Frauen zwischen dem 25 und 40. Lebensjahr (teilweise) übernommen werden.

Zur Wahrheit gehört nämlich, dass 5 von 6 Frauen nach einer Behandlung ohne Kind nach Hause gehen (Deutsches IVF Register 2018). Die Aussage im Artikel, dass „80 % der Paare, die zu uns kommen, innerhalb von drei Behandlungen schwanger werden“, weckt genau diese Hoffnung und suggeriert ja einen schöne Erfolgsquote, sagt aber wenig aus. Nach Künstlicher Befruchtung schwanger zu werden heißt leider noch nicht, ein Kind zu bekommen.

Und gilt das über alle Altersgruppen? Es wäre deshalb hilfreich und seriös, eine nachvollziehbare Statistik zu veröffentlichen, z. B. (notwendigerweise nach Altersklassen getrennt) darzustellen, wie viele der Paare nach wie vielen Behandlungen tatsächlich ein Kind zur Welt gebracht haben (sog. „Baby-take-home-Rate“). Dies habe ich auf der Homepage von Freyja leider nicht gefunden. Erst dann kann man wirklich einschätzen, wie nahe die Erfüllung von Wünschen (die jedem Paar zu gönnen ist) und Verzweiflung beieinander liegen. Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit den persönlichsten Angelegenheiten und Hoffnungen von Menschen.

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