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Die Friedens- und Konfliktforschung stärken

07.10.2010

Rede zur ersten Lesung des SPD-Antrages „Die Friedens- und Konfliktforschung stärken – Deutsche Stiftung Friedensforschung finanziell ausbauen“ am 7. Oktober 2010 (TOP 23)

René Röspel (SPD):
Letzten Sonntag haben wir den 20. Jahrestag der Deutschen Einheit gefeiert. Er symbolisiert auch das Ende des Kalten Krieges. Im Deutschen Bundestag mussten wir in den seither vergangenen zwanzig Jahren trotzdem oft über Gewalt und Krieg sprechen. Denn mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes ist die Welt leider nicht friedlicher geworden. Laut dem Heidelberger Konfliktbarometer hat die Zahl der Konflikte weltweit seit 1990 sogar zugenommen. Bei den Debatten über aktuelle Konflikte suchen wir Ab-geordneten Antworten auf die Fragen von Gewalt. Dabei empfinden wir mitunter das Gefühl, nur noch zwischen Nichtstun und dem Mittel der Gegengewalt entscheiden zu können. Denn wenn wir uns im Plenum mit Krieg und Gewalt beschäftigen, ist das Kind meist bereits in den Brunnen gefallen. Wir versuchen dann die Symptome des Konflikts zu bekämpfen, um deren Ursachen wir uns hingegen oft nicht oder erst später kümmern können, weil die Symptome in Form von Gewalt meist so brutal und unglaublich erscheinen und für anderes keine Zeit mehr bleibt. Oft sind uns die genauen Ursachen des Konflikts aber auch unklar, oder es fehlt die nötige Sensibilität, die Zeit, das Geld oder das Durchhaltevermögen.
Verantwortungsvoller, humaner und deutlich effektiver und kostengünstiger, nicht nur fiskalpolitisch gesehen, ist es, den Frieden bereits in Friedenszeiten zu unterstützen und zu festigen. Denn neben den Frieden gefährdenden Mechanismen existieren zum Glück auch Strukturen, die den Frieden stärken und Konflikte verhindern können. Dabei spielen demokratische und transparente Entscheidungsprozesse, soziale Rechte und die gerechte Verteilung von Ressourcen und Gewaltfreiheit eine wichtige Rolle. Wir Parlamentarier wissen aus unserer Arbeit, wie wichtig diese Aspekte auch für unsere Demokratie in Deutschland sind. Diese Prozesse und die dazugehörigen Strukturen hier und weltweit zu unterstützen, das ist Friedensarbeit.
Wie und unter welchen Umständen diese Strukturen aufgebaut, erhalten und gestärkt werden können, damit beschäftigt sich die Friedens- und Konfliktforschung. Dazu suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen für Konflikte, aber auch die stabilisierenden Faktoren einer friedlichen Gesellschaft. Dabei gibt es grundlegende Aspekte, die in allen Gesellschaften ähnlich sind. Jede einzelne Gesellschaft hat aufgrund ihrer Tradition und Geschichte aber auch eigene Strukturen der Friedenssicherung bzw. des Gewaltpotenzials. Diese gilt es ebenfalls herauszufinden.
Um die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland weiter zu festigen und zu unterstützen, wurde vor zehn Jahren durch die damalige rot-grüne Bundesregierung die „Deutsche Stiftung Friedensforschung“ gegründet. Diese Stiftung betreibt keine eigene Forschung, sondern wählt förderwürdige Projekte aus und unterstützt diese finanziell. Seit Gründung der Stiftung wurden über 46 große und über 100 kleine Forschungsvorhaben finanziert. Darunter sind zum Beispiel Forschungsarbeiten zum Thema Parlamentsbeteiligungsgesetz, der Verwendung von nichtletalen Waffen und der Rolle von Religion oder von föderalistischen Strukturen in Konflikten.
Neben der Finanzierung von Forschungsprojekten unterstützt die DSF auch Tagungen und Publikationen. Denn Aufgabe der Stiftung ist es auch, die Ergebnisse der geförderten Forschungsvorhaben in die politische Praxis und Öffentlichkeit zu vermitteln. Für die parlamentarische Ebene veranstaltet die DSF zum Beispiel in regelmäßigen Abständen Parlamentarische Abende zu aktuellen Themen. Letzte Woche konnten wir Abgeordneten uns zum Beispiel mit den Experten aus der Wissenschaft über die Chancen und Risiken der Einbindung von Gewaltakteuren in den Friedensprozess informieren. Die Friedensforscherinnen und Friedensforscher zeigten dabei anhand der Taliban- und Hamas-Gruppierungen, welche Chancen für eine Einbindung dieser Gruppen in den politischen Prozess bestehen, aber leider auch, welche Chancen zum Beispiel in Afghanistan bereits vertan wurden.
Das sicherlich bekannteste Buchprojekt, das durch die DSF finanziell unterstützt wird, ist das „Friedensgutachten“. Herausgeber sind die fünf großen deutschen Friedensforschungsinstitute. In der aktuellen Ausgabe beschäftigen sich die Autoren zum Beispiel mit der Situation in Afghanistan, dem Umgang mit Gewaltakteuren, der Vision einer nuklearfreien Welt und den sicherheitspolitischen Konsequenzen aus der Weltwirtschaftskrise. Es ist wie immer ein sehr lesenswertes Jahrbuch – nicht nur für Außen- und Sicherheitspolitiker.
Einige Friedens- und Konfliktforscherinnen und -forscher beschäftigen sich sehr intensiv mit den Themen Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung. Dabei spielen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Technologien eine große Rolle, einerseits als Mittel der Begrenzung der Bedrohung, andererseits als mögliche Instrumente des Missbrauchs. Die DSF hat in diesem Bereich zum Beispiel eine Bewertung der Nanotechnologien und einen Bericht über das Proliferationsrisiko von Spallations-neutronenquellen finanziell unterstützt. Da diese beiden Forschungsbereiche auch durch das Bundesforschungministerium finanziert werden, sollten wir Forschungspolitiker uns diesen Berichten ebenfalls widmen.
Ich denke, alle hier Anwesenden sind mit mir einig, dass alle von der DSF finanzierten Projekte relevante Forschungsfragen bearbeiten. Die Ergebnisse daraus sind für eine wissensbasierte politische Entscheidungsfindung im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik, der Entwicklungszusammenarbeit, der Forschungspolitik, aber auch anderen Politikbereichen äußerst hilfreich. Auf der politischen Ebene existieren bereits erfolgreiche Instrumente, in die diese Ergebnisse einfließen können. Diese müssen dann nur noch nachjustiert bzw. richtig eingesetzt werden. Einige Instrumente werden zum Beispiel durch das Auswärtige Amt finanziert. Dass die schwarz-gelbe Regierung im aktuellen Haushaltsentwurf die Mittel für Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung um fast 40 Millionen Euro kürzen will, ist deshalb eine Schande und absolut kurzfristig gedacht. Leider überraschen die Haushaltskürzungen nicht. Bereits in der Haushaltsdebatte 2009 hat die SPD-Bundestagsfraktion unter anderem eine Erhöhung des Stiftungskapitals für die DSF gefordert. Diese Forderung wurde von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Bereits damals begann die Kürzungspolitik, die sich jetzt in den Budgets anderer Ministerien fortsetzt.
Mit unserem heute debattierten Antrag fordern wir eine Erhöhung des Stiftungskapitals der DSF um 5 Millionen Euro. Diese Forderung haben wir auch mit einem entsprechenden Änderungsantrag zum Haushalt flankiert. Diese Erhöhung ist nötig, damit die satzungsgemäßen Ziele der Stiftung weiterhin erfüllt werden können. Derzeit reicht das Geld nicht aus, um zum Beispiel die wichtige Nachwuchsförderung fortzuführen. Grund für die Finanzlücke sind unter anderem die in den letzten Jahren allgemein gestiegenen Kosten bei Sachleistungen und Personal. Hier muss nun bei der DSF finanziell nachgezogen werden.
Wir hoffen, dass dieses Jahr in den Reihen von CDU/ CSU und FDP doch ein wenig mehr Vernunft als letztes Jahr vorherrscht und sie in der Haushaltsbereinigungssitzung für die DSF-Erhöhung stimmen. Denn die Gelder für die Friedens- und Konfliktforschung bereichern die deutsche Forschungslandschaft. Die Ergebnisse wiederum liefern wichtige Entscheidungshilfen zur weltweiten Friedenssicherung und können kostspielige und wenig effiziente Symptombekämpfung vermeiden. Wenn Friedens- und Konfliktforschung auch nur einen Konflikt verhindern, abmildern oder beenden kann, so hat sich jeder Euro dafür gelohnt. Aber leider gibt es dafür viel weniger Geld als für Waffen und Militär.

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: