Forschung an Fachhochschulen stärken

26.10.2006

Rede zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Exzellenzwettbewerb - Fachhochschulen (Drs. 16/2838)

René Röspel (SPD):

In letzter Zeit wimmelt es ja geradezu von Exzellenz: Die Ergebnisse der ersten Runde der Exzellenzinitiative sind uns am 13. Oktober präsentiert worden und schon heute liegen uns die Anträge der Opposition vor. Die FDP möchte jetzt auch gerne einen Exzellenzwettbewerb - für die Fachhochschulen - und die Grünen möchten die Exzellenzinitiative erweitern und „herausragende Lehre prämieren“.

Eigentlich kann man dieses Verhalten als großes Lob für die Urheber der Exzellenzinitiative verstehen. Ich nehme das deshalb mit Interesse und Dank zur Kenntnis. Es war die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung mit der Forschungsministerin Bulmahn, die diese Initiative ins Leben gerufen und dank einer Kraftanstrengung mit erheblichen finanziellen Mitteln - immerhin 1,9 Milliarden Euro von Bund und Ländern - ausgestattet hat, um Bewegung in die Hochschullandschaft zu bringen und deutsche Forschung auch international sichtbarer zu machen. Dass dies schon gelungen ist, zeigen die Berichte, die wir im Forschungsausschuss in dieser Woche von den Vertreterinnen und den Vertretern der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Hochschulrektorenkonferenz und des Wissenschaftsrates hören konnten. Allein der Wettbewerb an sich habe die Landschaft und die Hochschulen in Bewegung gebracht und damit schon einen positiven Effekt bewirkt. Zu hören war - unabhängig vom Wettbewerb - die den einen oder anderen überraschende Aussage der ausländischen Gutachter: Man sei überrascht von der Qualität und Leistungsfähigkeit der deutschen Hochschulen, hieß es dort.

Allerdings ist das Ergebnis der ersten Förderrunde auch mit Unverständnis aufgenommen worden. Ob berechtigt oder nicht: Es stellen sich auch schon jetzt Fragen, die mindestens für weitere Initiativen bedenkenswert sind. Ist es richtig, Universitäten nur vom Status quo her zu betrachten, ohne Betrachtung ihrer über die Forschungsqualität hinausgehenden Funktion? Kann man Nordrhein-Westfalen mit einer Vielzahl von erst in den 60er- und 70er-Jahren gegründeten Hochschulen und einem breiteren Angebot vergleichen mit Bayern, das die Strategie verfolgt, unter eigenem Bedarf Studienplätze anzubieten und seine Mittel lieber auf weniger Unis zu verteilen? Welche Konsequenzen wird die Initiative für eine regionale Verteilung der Mittel haben? Diese Fragen werden noch in anderen Debatten zu diskutieren sein, haben aber auch für das heutige Thema Relevanz.

Ausdrücklich will ich betonen, dass ich das Grundanliegen der vorliegenden Anträge für ehrenhaft und gut finde. Es freut mich, dass die FDP die Fachhochschulen entdeckt hat. Übrigens hat die damalige rot-grüne Koalition schon bald nach der Regierungsübernahme 1998 den Stellenwert der Fachhochschulen mit der sukzessiven Erhöhung der Mittel für angewandte Forschung an Fachhochschulen erkannt und den Dornröschenschlaf beendet.

So sehr ich die Zielsetzung der FDP verstehen kann; die Zweifel, ob das vorgeschlagene Instrument das richtige ist, sind erheblich. Die Übertragung des Exzellenzwettbewerbs auch auf Fachhochschulen scheint mir eher sogar ein schädlicher und destruktiver Vorschlag zu sein. Zu Recht schreibt die FDP in ihrem Antrag, dass die Fachhochschulen „einen herausragenden Beitrag bei der praxisnahen Ausbildung der Studierenden“ leisten.

Im 2004 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegebenen Bericht „Die Fachhochschulen in Deutschland“ findet sich auf Seite 8 unter der Überschrift „Auftrag und Profil“ die folgende Einschätzung: „Das Profil der Fachhochschulen ist nicht einheitlich. Es gibt hinsichtlich der Studentenzahl und der jeweils angebotenen Studiengänge eine erhebliche Variationsbreite. Dies ist auf das jeweils unterschiedliche regionale Umfeld der Fachhochschulen und den jeweiligen Einzugsbereich zurückzuführen. Sie nehmen in besonderem Maße auf die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft Rücksicht.“ Damit ist der zentrale Unterschied benannt. Die regionale Einbindung, der Zuschnitt einzelner Fachbereiche auf die Anforderungen regionaler Unternehmen machen Fachhochschulen nicht ohne weiteres untereinander vergleichbar.

Das deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen. Die in meinem Wahlkreis befindliche Fachhochschule Südwestfalen ist als „University of Applied Sciences“ international aufgestellt, aber bei den Industriekontakten eben vor allem regional etabliert und eingebunden, bis hin zu dem anspruchsvollen Verbundstudiengang, bei dem berufsbegleitend ein Fachhochschulabschluss erworben wird. Einen Wettbewerb - der per se nichts Schlechtes ist - zu starten, etwa um verstärkte Forschungstätigkeiten anzuregen, setzt voraus, dass vergleichbare Startbedingungen vorliegen oder man einen Weg findet, unterschiedliche Zielsetzungen zu objektivieren. Das bedarf noch jeder Menge Hirnschmalz.

Über dieses System der Fachhochschulen einfach eine Exzellenzinitiative zu stülpen, deren Ziel es ja ist, international sichtbare „Leuchttürme“ zu generieren, wäre ein Fehler. Dass dies die FDP in Teilen genauso sieht, erkennt der geneigte Antragsleser an den im FDP-Antrag beschriebenen Förderkriterien: Die „bedarfsgerechte Bereitstellung neuer Studienplätze“ mag eine sinnvolle Forderung sein genauso wie „Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt“ und „Einführung neuer Studiengänge“. Aber als Förderkriterien für einen „Exzellenzwettbewerb Fachhochschulen“ taugen sie sicher nicht. Mit diesem Widerspruch im eigenen Antrag zeigt die FDP, dass sie zwar in Teilen die Probleme erkennt, aber letztlich doch wieder einmal am Ende der Versuchung erliegt, einen populistischen Schnellschuss abzufeuern.

Anerkennung will ich ausdrücklich auch aussprechen für den Antrag der Grünen, nicht nur exzellente Forschung zu prämieren, sondern dies auch auf die Lehre auszuweiten. Auch hier sprechen bei genauerem Nachdenken die Probleme im Detail eher dafür, sich mehr Zeit zu nehmen als im Antrag vorgeschlagen. Wie ist „gute Lehre“ denn eigentlich definiert, wie ist sie objektivierbar? Wie ist ein Wettbewerb um gute Lehre wirklich initiierbar? Allein die „Anstrengungen für exzellente Lehre“ zu belohnen - wie im Antrag vorgeschlagen - reicht sicher nicht aus.

Die Intentionen der vorliegenden Anträge sind erkennbar, die Instrumente aber nicht tauglich. Schnellschüsse machen keinen Sinn. Lassen Sie uns in den Ausschussberatungen ernsthaft beraten, wie Fachhochschulen noch mehr unterstützt und Lehre verbessert werden kann.