Alle klinischen Studien müssen registriert werden

Rede zum Antrag der Fraktion Die Linke. für eine verpflichtende Registrierung von klinischen Studien

25.03.2010

Klinische Studien sind ein wichtiger Baustein moderner Gesundheitsforschung. Jedoch leidet auch dieser Forschungszweig unter einem Problem, das zwar menschlich verständlich, in diesem Bereich aber überhaupt nicht angebracht ist: positive Ergebnisse werden überbetont, negative Ergebnisse hingegen zu oft verheimlicht.

Dies gilt insbesondere, wenn die klinischen Studien durch Unternehmen finanziert werden und das
eigentliche Ziel der Studie nicht der Wissensgewinn, sondern der Nachweis positiver Wirkungen etwa eines Arzneimittels, ist. Dieser sogenannte „Publication Bias“ ist ein vielfach nachgewiesenes und seit langem bekanntes Problem. Kritisch wird dieser Sachverhalt vor allem dort, wo es um eine gute und finanziell dem Nutzen angemessene medizinische Versorgung kranker Menschen geht.

Die Probleme, vor denen etwa das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in der
Vergangenheit stand und bis heute steht, sind korrekt im Antrag der Fraktion Die Linke beschrieben. Wir müssen uns fragen, ob wir als Gesellschaft wirklich akzeptieren wollen, dass, wie im vorliegenden Fall für drei Antidepressiva, bei insgesamt rund 5 100 Testpersonen nur Daten von 1 600 Probanden transparent verfügbar sind und publiziert wurden. Die beste Lösung für dieses Problem kann nur sein, dass wir eine Verpflichtung zur Registrierung aller klinischer Studien, die in Deutschland durchgeführt werden, einführen.

Es war und ist gut und richtig, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung knapp 2,3 Millionen Euro aufgewandt hat, um das „Deutsche Register klinischer Studien“, DRKS, aufzubauen. Man muss sich aber fragen, ob die Schaffung von Anreizen für eine freiwillige Registrierung der Studien beim DRKS ausreicht. Die Bundesregierung vertritt laut Bundestagsdrucksache 17/349 die Auffassung, dass diese Anreize ausreichen.

Wir als Fraktion der SPD teilen diese Bewertung ausdrücklich nicht. Man muss sich fragen, wer einen
Nutzen aus dem Verzicht auf eine allgemeine Registrierungspflicht hat und hier kommen einem sicherlich weder die Probanden noch die Kranken noch unsere Gesellschaft allgemein in den Sinn.

Nicht nur aus Gründen der Verbesserung der Versorgung, sondern auch aus forschungspolitischer Sicht ist eine Verpflichtung zur Registrierung aller klinischer Studien wünschenswert. So steht zu hoffen, dass eine umfassende Registrierung etwa dazu führt, dass es Personen, die an seltenen Krankheiten leiden, leichter möglich sein wird, sich an einer Studie zu beteiligen. Ohne Registrierungspflicht hätte die Mehrzahl dieser Personen vermutlich nie von der Studie erfahren. Forschung und Wissenschaft leben vom freien Austausch von Informationen.

Ohne eine allgemeine Registrierungspflicht kann man jedoch nie sicher die Frage beantworten, welche Studien zur Krankheit X oder zum Arzneimittel Y bereits durchgeführt wurden. Doppelstudien, die durchaus auch Gefahren für die Probandinnen und Probanden beinhalten können, sind die Folge. Ohne Not werden hier Ressourcen verschwendet, die man besser in zusätzliche Studien investieren sollte.

Wer gegen eine allgemeine Registrierungspflicht argumentiert, der sollte sich bewusst sein, dass offenkundig in Deutschland größere Bedenken bestehen als in anderen Ländern. So haben etwa die USA eine solche Verpflichtung bereits in geltendes Recht übernommen – und die USA gelten wahrlich nicht als Land, in dem Forschung und Freiheit durch bürokratische Fesseln gehemmt werden.

Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam mit der Fraktion der CDU/CSU einen guten Antrag zur Förderung nichtkommerzieller klinischer Studien, Bundestagsdrucksache 16/6775, auf den Weg gebracht. Diese kollegiale Zusammenarbeit im Sinne der Patientinnen und Patienten sollten wir fortsetzen.

Wir werden daher ebenfalls einen Antrag in die parlamentarische Beratung einbringen. Dieser wird unter anderem, ausgehend von der genannten Drucksache, Vorschläge unterbreiten, um den öffentlichen Zugang zu Informationen über klinische Studien umfassend sicherzustellen.

Im Gegensatz zum Vorschlag der Fraktion Die Linke werden wir aber auch stärker darauf Rücksicht nehmen, dass die Sponsoren klinischer Studien ebenfalls berechtigte Interessen haben. So darf etwa eine Registrierungspflicht nicht zum Einfallstor für den Diebstahl von Ideen und Forschungsdesigns werden. Dieser Aspekt wird im Antrag der Fraktion Die Linke leider nicht ausreichend berücksichtigt. Daher sehen wir den Antrag der Linken als interessanten Impuls für unsere parlamentarische Debatte; aber wir werden einen besseren Vorschlag zur Lösung der im vorliegenden Antrag beschriebenen Probleme unterbreiten.

------

[1]Bundestags-Protokoll Nr. 17/34 vom 25. März 2010[2]

Links:

  1. http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/vorlaeufig/17034.html
  2. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/17/17034.pdf