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Statt Fusionstechnologie erneuerbare Energien fördern

zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag Bündnis 90/die GRÜNEN „Kernfusionsforschung kritisch überprüfen - ITER-Vertrag kündigen“

06.05.2010

Herr/ Frau Präsident/in! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Zeit der fossilen Energieträger läuft aus. Ich denke, wir alle sind uns darin einig, dass die nachhaltige und effiziente Gewinnung und Bereitstellung von Energie eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre sein wird. Dabei spielt die frühzeitige Forschungsförderung eine entscheidende Rolle. Aber die Weichen müssen richtig gestellt sein.

Wir Sozialdemokraten haben deshalb bereits vor Jahren zusammen mit unserem damaligen grünen Koalitionspartner große Anstrengung in die Förderung der regenerativen Energietechnologien gesteckt. Davon profitiert Deutschland noch und gerade heute in vielfacher Hinsicht. Teil der Energiewende war auch der Ausstieg aus der schon damals nicht zukunftsfähigen Kerntechnologie. Die Gefahr eines Unfalls, die ungelöste und für den Steuerzahler mit immensen Kosten verbundene Endlagerproblematik sowie die Gefahr der Proliferation von waffentauglichem Kernmaterial sind einfach zu groß. Rentabel sind diese Technikmonster allein für die Atomindustrie. Zudem stellen Kernkraftwerke das Sinnbild der zentralen – manche sagen zentralistischen – Energieversorgung mit Großkraftwerken dar, die nicht mehr in die kommende Zeit der dezentralen und effizienten Kleinkraftwerke passt. Für die Bürgerinnen und Bürger sind Kernkraftwerke ein Graus. Das haben die vielen Tausend Demonstranten vorletztes Wochenende einmal mehr gezeigt. Wenn CDU, CSU und FDP immer noch für eine Laufzeitverlängerung plädieren, kann man das nur noch mit schierem Atomlobbyismus erklären.

Seit mehr als 60 Jahren arbeiten Wissenschaftler in aller Welt an einer weiteren Technologie zur Energiebereitstellung - der sogenannten Fusionstechnologie. Dabei sollen die Abläufe, die in der Sonne stattfinden, in einem Kraftwerk nachempfunden werden. Im Unterschied zur Kernspaltung werden bei der Kernfusion Atomkerne verschmolzen. Dabei werden wie bei der Kernspaltung große Mengen Energie freigesetzt. Eine unkontrollierbare Kettenreaktion ist aber, anders als bei der Atomkraft, zum Glück nicht möglich. Auch die Probleme mit radioaktivem Müll sowie die Möglichkeit der Nutzung als Waffe erscheint nach heutigem Wissensstand im Vergleich zur Kernspaltung als eher unproblematisch. Die Technik klingt also erst einmal viel versprechend.

In Deutschland wird heute bei der Max-Planck Gesellschaft in Garching und Greifswald und der Helmholtz-Gemeinschaft in Karlsruhe und Jülich auf diesem Gebiet geforscht. Dafür werden die beiden Versuchsreaktoren Wendelstein 7-X und TEXTOR betrieben. Alle Arbeiten sind zum heutigen Tag immer noch der Grundlagenforschung zuzurechnen. Der Beweis, ob diese Technologie jemals kommerziell Energie liefern wird, steht noch aus.

Übrigens waren nur wenige der heutigen politischen Entscheidungsträger an den Anfängen dieses Prozesses beteiligt und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird niemand der heutigen Entscheider noch die Anwendung dieser Technologie in Verantwortung erleben. Inwieweit ein solches Verfahren überhaupt politisch akzeptabel sein kann, muss bei Gelegenheit an anderer Stelle diskutiert werden.

Wie so oft in der Wissenschaft wurde auch im Bereich der Fusionsforschung deutlich, dass man zum Erreichen der Ziele international zusammenarbeiten muss. Aus diesem Grund haben sich 2006 die EU, Japan, Russland, USA, China, Indien und Südkorea zusammengetan und den Bau und Betrieb des „Internationalen thermonuklearen Experimentalreaktor“ (ITER) vereinbart. Innerhalb der EU wird ITER über EURATOM abgewickelt. Als Standort wurde das französische Cadarache gewählt. Vereinbart wurde, dass die EU als „Sitzregion“ 45,5 Prozent der Kosten trägt. Nach erfolgreichem Abschluss der ITER-Experimente soll der Versuchsreaktor DEMO gebaut werden. Erst dieser wird zeigen, ob die kommerzielle Stromgewinnung mit der Fusionstechnologie überhaupt möglich ist. Mit einem endgültigen Ergebnis wird frühestens im Jahr 2050 gerechnet.

Für die SPD ist die Fusionstechnologie ein spannender Bereich der Grundlagenforschung. Das Problem ist, dass die Gesellschaft bereits in den nächsten Jahren konkrete und anwendbare Alternativen für die Energieversorgung braucht. In diesem Zeitraum wird die Fusionstechnologie nicht als Option zur Verfügung stehen.

Im Bereich der erneuerbaren Energien existieren schon funktionsfähige Technologien, bei denen Biomasse, Geothermie, Sonne, Wasserkraft und Wind zur Energieerzeugung genutzt werden. Und sie sind bereits heute anwendbar, dienen dem Umwelt- und Klimaschutz, sind Innovations- und Technologietreiber und tragen in breitem Umfang zur Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Hand- und Stahlwerk bei. Diese Anlagen erzeugen heute 15 Prozent des gesamten Bruttostromverbrauchs in Deutschland. Das Potenzial ist dabei noch lange nicht ausgeschöpft. Mit diesen Technologien ist die Energiewende somit machbar. Deshalb besitzt für uns Sozialdemokraten dieser Bereich ganz klare Priorität.

Mit ITER haben wir ein Finanzierungsproblem. Die aktuelle Mitteilung der Kommission lässt vermuten, dass der Kostenanteil für Europa sogar von 2,7 auf 7,2 Milliarden Euro steigt. Schon jetzt klafft eine Finanzierungslücke von 1,4 Milliarden Euro für die Jahre 2012 und 2013 die entweder über eine Anhebung des Finanzrahmens oder zusätzliche Beiträge der Mitgliedstaaten gefüllt werden muss. Da stellt sich schon die Frage, ob diese Technologie, bei aller Forschungsfaszination, in dieser Größenordnung vernünftig oder verantwortbar ist. Insbesondere wenn man überlegt, was diese Summen in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Energieeffizienz, -einsparung oder regenerativen Energietechnologien möglich machen würden. Insofern sympathisiere ich durchaus mit dem Antrag der Grünen. Aber aus unserer gemeinsamen Koalitionszeit weiß ich auch, dass der von ihnen geforderte Ausstieg eben leider nicht so einfach umzusetzen ist.

Wenn die aktuellen Zahlen der Kommission sich bestätigen, muss die Bundesregierung beim Wettbewerbsfähigkeitsrat am 25./26. Mai in Brüssel Druck machen. Klar ist für uns Sozialdemokraten, dass die erneute Kostensteigerung in diesem Umfang nicht hingenommen werden kann und schon gar nicht zu Lasten der Förderung der regenerativen Energie gehen darf. Die ersten Kürzung in diesem Bereich durch die Schwarz-Gelbe Koalition lassen nichts gutes erwarten. In Zeiten, in denen wir die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels konkret und zeitnah bekämpfen müssen und auf der anderen Seite infolge der Finanzkrise mit finanziellen Schwierigkeiten in ungeahnter Größe zu kämpfen haben, sind weitere Mittelerhöhungen nicht zu verkraften.

Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, auch die potenziellen Nutznießer der Fusionstechnologie – sprich die Industrie - stärker an den Forschungsausgaben zu beteiligen. Wenn Frau Merkel so sehr an die Machbarkeit der Technologie glaubt, sollte die Überzeugungsarbeit ja eigentlich ein Kinderspiel sein.

Um es noch einmal zusammenzufassen, für uns Sozialdemokraten ist die Fusionstechnologie ein spannendes Forschungsthema, sie wird aber, selbst wenn alle Experimente positiv verlaufen, nicht rechtzeitig als Energieoption zur Verfügung stehen. Wir müssen uns also auf andere Energieträgertechnologien konzentrieren. In Anbetracht der finanziellen Zwänge sollte das Geld deshalb vorrangig in bereits ausgereifte und einsetzbare regenerative Energietechnologie gesteckt werden. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, nun endlich eine Deckelung der ITER-Kosten in Brüssel durchzusetzen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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