Validierungsforschung - Weg von der Forschung in die Anwendung erleichtern

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01.07.2010

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Knoerig, Sie sind ja noch relativ neu im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Auch im Rückblick auf die letzten Jahre muss ich feststellen, dass wir da eigentlich immer einen recht sachlichen Umgang gepflegt und uns an den Inhalten orientiert haben. Ich bin ein bisschen erstaunt, dass Sie Ihren Beitrag hier – wir wollen eigentlich über Validierungsforschung reden; das habe ich so verstanden; das steht jedenfalls so in der Tagesordnung – gleich mit Begriffen wie „Gleichmacherei“ und „sozialistische Umverteilung“ begonnen haben. Vielleicht sollten wir so etwas zumindest zu so später Stunde einfach einmal beiseitelegen – es sind ja nicht mehr so viele Zuschauer da – und tatsächlich über das reden, worüber wir hier wirklich sprechen sollen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn man sich die Bilanz, was Technologiezuwachs
in Deutschland anbelangt, der letzten elf Jahre – bei Rot-Grün beginnend, in die Große Koalition mündend – anschaut, ist sehr leicht von der Hand zu weisen, dass das Schreckgespenst, das Sie hier gerade aufgezeigt haben, überhaupt aufgetreten ist und jemals auftreten wird.

Wir haben damals in der rot-grünen Regierung begonnen – übrigens in Fortsetzung der Politik der schwarzgelben Regierung –, die Nanotechnologie weiterzuentwickeln.

Wir haben einen gewaltigen Schub an neuer Technologie in den Bereichen der Energieeffizienz, der erneuerbaren Energien und anderer Energien auf den Weg gebracht. Wir brauchen uns also überhaupt nicht zu schämen. Mit Blick auf den Vorwurf der Technikfeindlichkeit, den Sie immer wieder zu konstruieren versuchen, kann ich nur an den Bundespräsidenten erinnern, der in meinem Wahlkreis geboren wurde und einmal ganz klug gesagt hat:

Wer mit dem Zeigefinger auf andere Leute zeigt, sollte nie vergessen, dass drei Finger seiner Hand auf ihn selbst zeigen.

Das war ein kluges Wort von Gustav Heinemann. Wir reden über Validierungsforschung. Was ist das? Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren alle gemeinsam eine exzellente Forschungsinfrastruktur geschaffen. Wir haben eine sehr gute angewandte Forschung. Wir sind im Automobilbereich, im Chemiebereich und im pharmazeutischen Bereich sehr gut. Wir haben eine hervorragende Grundlagenforschung; daran sind die Max-Planck-Gesellschaft und andere beteiligt.

Sicherlich gibt es im universitären Bereich Defizite. So gut wir aber in der Theorie häufig sind, so groß ist unser Problem – das haben wir auch von der Expertenkommission Forschung und Innovation immer wieder und zu Recht zu hören bekommen – bei der Umsetzung der Theorie in die Praxis. Wie also gelingt es uns besser, Forschungsergebnisse tatsächlich in Produkte umzusetzen, die kommerziell anwendbar, also kommerzialisierbar sind? Das ist genau der Punkt, an dem die Validierungsforschung ansetzt: Wie schaffen wir es, Forschungsergebnisse zu bewerten und daraus Produkte zu machen?

Wir befinden uns auch da in einer guten Tradition. Noch zur Zeit der Großen Koalition haben wir uns zusammengesetzt, dieses Thema aufgenommen und nicht nur mit Fraktionskollegen von Ihnen, sondern auch mit dem Ministerium sehr intensive Diskussionen geführt, wie wir im Bereich der Validierungsforschung weiterkommen.

Seien Sie mir nicht böse – es ist nicht abwertend gemeint –; aber ich glaube, Sie haben tatsächlich noch nicht den Kern des Problems verstanden, über das wir reden und um das wir uns kümmern sollten. Validierungsforschung heißt nämlich, recht schnell, gut und zuverlässig, möglicherweise auch sehr hart zu beurteilen: Ist das Forschungsergebnis eines Forschers wirklich geeignet, kommerzialisiert zu werden oder nicht? Dafür ist die Maßnahme „VIP“ des BMBF – Sie haben sie angeführt – einschließlich Ihres begleitenden Antrags, der im Prinzip nichts anderes als den Inhalt der BMBF-Maßnahme wiedergibt, wirklich nicht geeignet. Um das zu belegen, will ich Ihnen zwei Beispiele nennen: Erstens. Der Forscher soll sich selbst einen Innovationsmentor suchen, also jemanden, der das Projekt begleitet. Das hört sich zunächst einmal gut an, führt aber möglicherweise zu zwei unterschiedlichen Problemen.

Sie zwingen einen Forscher oder eine Forscherin, der oder die sich jahrelang exzellent mit Grundlagenforschung oder anderem befasst hat, jetzt gute Ergebnisse hat und sich eigentlich nur mit Forschung befassen will, sich einen Innovationsmentor zu suchen, jemanden, der dazu geeignet ist, wirtschaftlich zu beurteilen, ob ein Forschungsergebnis vernünftig zu nutzen ist oder nicht.

Das heißt, Sie verlangen von einem Forscher, der möglicherweise nichts anderes will als forschen, dass er sich erst einmal einen Experten sucht, der in der Lage ist, zu beurteilen, ob sein Projekt, seine Forschungsergebnisse kommerzialisierbar sind. Ich sage Ihnen: Daran wird der Forscher im Regelfall gar nicht viel Interesse haben; er will sich nicht auf diese Suche machen.

Es kann aber auch ein zweites Problem auftreten. Es kann sein, dass der Forscher im Rahmen von Ausgründungen bereits Kontakte zu jemandem in der Wirtschaft hat, der sagt: Ich kann mir vorstellen, vielleicht einmal dein Projekt zu fördern, aber ich werde es nicht finanzieren. – Dann hat der Forscher jemanden, der das Projekt kennt; er kann ihn auch als Innovationsmentor benennen.

In diesem Moment bricht aber eine der zentralen Voraussetzungen für eine vernünftige Validierung, für eine Bewertung, ob das Forschungsergebnis kommerzialisierbar ist oder nicht, in sich zusammen. Die Neutralität und Objektivität des Innovationsmentors ist nämlich nicht mehr gegeben, weil er ein Interesse hat, dass es mit diesem Forschungsprojekt irgendwie weitergeht, möglicherweise mithilfe einer öffentlichen Förderung. Das sind zwei Probleme, die wir den Forschern nicht zumuten wollen.

Ich nenne Ihnen ein zweites Beispiel im Zusammenhang mit den Leitlinien der VIP-Fördermaßnahme. Sie verlangen von den Forschern zunächst einmal, die europäische Forschungsförderung sowie die Förderung durch den Bund und durch die Länder daraufhin zu untersuchen, ob es nicht irgendein Programm gibt, das geeignet ist, eine finanzielle Förderung für dieses Projekt auf den Weg zu bringen. Herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie von einem Forscher verlangen, erst einmal alle Möglichkeiten der Förderung zu überprüfen, dann wird er sicherlich in 50 Prozent der Fälle das Handtuch werfen. Er wird dann von Ihnen – das wird in den Richtlinien des BMBF erwartet – auch noch gezwungen bzw. es wird vorausgesetzt, dass er den Nachweis führt, dass er keine andere Möglichkeit der Förderung bekommen konnte.

Erst dann kann er sich auf die Suche nach einem Innovationsmentor begeben und möglicherweise eine Validierungsförderung erhalten. Wenn das keine Bürokratie ist, wenn das nicht Behinderung von Validierung ist, dann weiß ich es auch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag der SPD stellt eine Alternative dar. Mit ihm schlagen wir den richtigen Weg ein. Ich will noch einmal sagen, worum es im Kern geht. Es geht nicht darum, zu beurteilen, ob es sich um exzellente Grundlagenforschung handelt oder nicht. Das ist nicht die Frage. Vielmehr geht es darum, ob sie kommerzialisierbar ist.

Das heißt, es kann sein, dass jemand hervorragende, nobelpreisverdächtige Forschung betreibt, der Validierer aber sagen muss: Das ist super, aber nicht kommerzialisierbar.

Umgekehrt kann es genauso sein: Bei jemandem, der eher durchschnittliche, nicht aufregende Forschung betreibt, sagt ein Validierer: Mit dem richtigen Anstoß und einer vernünftigen Begleitung werden wir daraus ein innovationsfähiges und vermarktbares Produkt machen.

Darum geht es: Wir brauchen jemanden aus einer unabhängigen Validierungsagentur – das ist der Vorschlag, den die SPD macht –, einen Profi, der dafür bezahlt wird und der nicht ehrenamtlich tätig ist wie ein Pate. Dieser kann klar entscheiden: Das ist ein Projekt, das umgesetzt werden kann, das ist ein Forschungsprojekt, das wir kommerzialisieren können. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss er eine harte Entscheidung treffen. Dann wird die Forschung zwar fortgesetzt, aber es bleibt bei der Forschung. Das ist der Ansatz von Validierungsforschung.

Das bestätigen Ihnen viele Wissenschaftsorganisationen, wenn Sie mit ihnen Gespräche führen. Sie sollten auf sie hören.

Wir glauben, dass das von Ihnen vorgeschlagene Instrument versanden wird, da es keinen großen Unterschied zur üblichen Projektförderung darstellt, die vernünftigerweise seit Jahren durchgeführt wird. Es wird nicht dazu führen, dass mehr Forschungsprojekte in kommerzialisierbare Produkte umgesetzt werden. Folgen Sie unserem Weg. Er enthält weniger Bürokratie, und er zeigt den Forschern eine vernünftige Perspektive auf.

Vielen Dank.