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Offen über Aufbau und Nutzung von Biobanken diskutieren

02.12.2010

Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge „Schutz von Patientinnen und Patienten bei der genetischen Forschung in einem Biobanken-Gesetz sicherstellen“ und „Biobanken als Instrument von Wissenschaft und Forschung ausbauen, Biobanken-Gesetz prüfen und Missbrauch genetischer Daten und Proben wirksam verhindern“ am 2. Dezember 2010 (TOP 18)

René Röspel (SPD):
Die Fortschritte in den vergangenen Jahren bei der Weiterentwicklung der Anwendung der genetischen Diagnostik waren rasant. Heute sind mit bis vor kurzem noch undenkbarer Geschwindigkeit genetische Analysen von einzelnen Personen, aber auch von ganzen Personengruppen möglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Wissenschaft und Forschung das „1000 Dollar Genom“ ermöglichen werden. Wenn also bald die Sequenzierung des gesamten Genoms eines Menschen für 1000 Dollar möglich sein wird, so ist absehbar, dass wir vor einer massiven Ausweitung der Anwendung dieser Technologie in Wissenschaft und Forschung, aber auch in der medizinischen Praxis stehen.
Wie so oft liegen jedoch auch bei der Anwendung von genetischen Diagnosemethoden die Chancen ebenso auf dem Tisch wie das Missbrauchspotenzial. Deutschland nimmt heute international eine starke Position in der Nutzung der genetischen Diagnostik in Wissenschaft und Forschung und hierbei insbesondere bei der Nutzung sogenannter Biobanken ein. Als Biobanken werden Sammlungen von Proben menschlicher Körpersubstanzen wie Gewebe, Blut oder DNA bezeichnet, die mit personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen verknüpft sind und medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen. Der Großteil der existierenden Biobanken wird derzeit zu Forschungszwecken genutzt.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen ausdrücklich diese führende Rolle Deutschlands sichern und durch eine gezielte Förderpolitik weiter vorantreiben. Wissenschaft und Forschung können aber nur dort von der Gesellschaft akzeptiert gedeihen, wo klare rechtliche Rahmenbedingungen sicherstellen, dass Missbrauch verhindert und Datenschutz sichergestellt werden kann. Bisher haben die in Deutschland tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Nutzung von Biobanken ein großes Verantwortungsbewusstsein an den Tag gelegt. Dieses verantwortungsbewusste Handeln verhindert jedoch nicht das Aufkeimen von Kritik, wie die Debatte über die sogenannte Helmholtz-Kohorte zeigt. Aufgabe des Deutschen Bundestages muss es daher sein, ergebnisoffen darüber zu diskutieren, wo und in welcher Form ein sicherer Rechtsrahmen insbesondere für den Aufbau und die Nutzung von Biobanken geschaffen werden sollte.
Der Deutsche Bundestag hat sich in den vergangenen Jahren bereits mehrfach und aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Anwendung der genetischen Diagnostik in Wissenschaft und Forschung befasst. In Zeiten der rot-grünen Regierungskoalition waren die Bemühungen für ein Gendiagnostikgesetz, welches Regelungen für die Forschung beinhalten sollte, bereits weit vorangeschritten. Die Neuwahl verhinderte jedoch eine abschließende Beratung des damaligen Entwurfs. Es folgten die Beratungen der Großen Koalition für ein Gendiagnostikgesetz. Schlussendlich wurde entschieden, Wissenschaft und Forschung aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausdrücklich herauszunehmen. Der Grund hierfür war jedoch mitnichten, dass SPD und CDU/CSU hier keinen Regelungsbedarf sahen. Vielmehr waren sich die Koalitionspartner von damals einig, dass man zunächst und zügig etwas für den Datenschutz im Bereich des Arbeits- sowie des Versicherungsrechts tun wollte.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben anlässlich der Schlussberatung des Gendiagnostikgesetzes öffentlich und unmissverständlich betont, dass wir uns für eine intensive Prüfung des gesetzlichen Regelungsbedarfs der Nutzung der genetischen Diagnostik in der Forschung und hierbei insbesondere im Bereich der Biobanken einsetzen wollen. Mit dem heute vorliegenden Antrag setzen wir diese Ankündigung um. Mit unserem Antrag nehmen wir zahlreiche nationale wie internationale Stellungnahmen von Expertenkommissionen und Organisationen auf. Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle lediglich auf den Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung vom Dezember 2006 hinweisen. Dieser ebenso fundierte wie überzeugende Bericht kam zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Biobanken eine Regelung im Sinne eines Mittelweges finden müsse, „um sowohl Überregulierung als auch ‚Wildwuchs' bei der weiteren Entwicklung zu vermeiden“. Genau diesen Weg wollen wir mit unserem Antrag beschreiten.
Wir fordern die Bundesregierung auf, ergebnisoffen zu prüfen, in welchen Punkten eine gesetzliche Regelung zum Umgang mit genetischen Daten und Proben angebracht und zielführend sein würde. Darüber hinaus fordern wir die Regierung auf, ein umfassendes Förderkonzept für Biobanken in Deutschland aufzubauen. Es ist zu begrüßen, dass die TMF, die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung, am 19. November 2010 angekündigt hat, gemeinsam mit zahlreichen Partnern eine zentrale deutsche Biobanken-Infrastruktur aufzubauen. Es ist auch ausdrücklich zu begrüßen, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Förderung einer „Nationalen Biomaterialbanken-Initiative“ auf den Weg gebracht hat.
Es ist mir aber trotz dieser finanziellen Zusagen für eine verstärkte Vernetzung von Biobanken in Deutschland nicht verständlich, warum die Bundesregierung trotz aller nationalen wie internationalen Bemühungen um
klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Umgang mit genetischen Daten und Proben keinerlei Anstalten macht, auch nur zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung für Biobanken sinnvoll sein könnte. Man könnte fast glauben, die Bundesministerin für Bildung und Forschung habe sich in dieser Frage nicht nur von der fachwissenschaftlichen, sondern auch von der gesellschaftlichen Debatte abgekoppelt. Man darf gespannt sein, ob das Bundesministerium für Bildung und Forschung hier demnächst eine Initiative zeigen wird. Denn es kann nicht sein, dass zwar der Aufbau und die Vernetzung von Biobanken – richtigerweise – gefördert, die strukturellen Voraussetzungen etwa in Bezug auf einen hinreichenden Datenschutz jedoch bestenfalls in Förderrichtlinien beschrieben werden.
Nun noch einige kurze Worte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir teilen die grundsätzlichen Überlegungen der Grünen zum Umgang mit genetischen Daten und Proben. Allerdings fordern die Grünen bereits sehr konkret einen Gesetzentwurf mit zum Teil detaillierten Anforderungen. So richtig und wichtig die Pläne der Grünen sind, die ihre Fraktion an einen solchen Regelungsrahmen stellt, so sehr muss man sich doch fragen, ob wir parlamentarisch bereits hinreichend diskutiert haben, wo und wie man diese Regelungen am besten verorten sollte. Um es kurz und prägnant zu formulieren: Wir sehen unseren Antrag als Einstieg in eine ergebnisoffene Debatte über eine sinnvolle Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit genetischen Daten und Proben in Wissenschaft und Forschung. Die Grünen hingegen scheinen die Auffassung zu vertreten, dass bereits genug Expertisen vorliegen, um in die konkrete Gesetzgebung einzusteigen. Bei einigen Vorschlägen glaube ich aber, dass noch Klärungsbedarf besteht. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen das Gespräch mit der Bundesregierung und den beteiligten Expertinnen und Experten suchen. Hierzu sollen auch die Beratungen unseres Antrages in den Ausschüssen dienen.
Wir sprechen, wenn wir über Biobanken diskutieren, über höchst persönliche Daten, die zumeist in einem engen Bezug zu einer Krankheit oder einer Krankheitsdisposition stehen. Es wäre unverantwortlich, wenn der Gesetzgeber hier erst dann in eine Debatte über einen angemessenen Regelungsrahmen einsteigen würde, wenn man in der Presse über Missbrauchsfälle liest. In dieser Einschätzung sind wir uns mit der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einig. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Fraktionen von CDU/CSU und FDP einer ergebnisoffenen Beratung in den Fachausschüssen nicht verschließen werden.

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