Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes

08.11.2012

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 08. November 2012 zur Beratung des Antrags der Koalition „Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes"; Deutscher Bundestag, 204. Sitzung, TOP 35

René Röspel (SPD):
Der hier zu debattierende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen stellt ein weiteres Mal ein Armutszeugnis für Schwarz-Gelb dar: Von Gestaltungswille kann hier keine Rede sein. Der § 52 a des Urheberechtsgesetzes soll nach dem Willen der Koalitionäre ein weiteres Mal um zwei Jahre verlängert werden. Damit vergibt die Bundesregierung – und mit ihr die Koalitionsfraktionen – die Chance, endgültig Rechtssicherheit für die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft in Deutschland zu schaffen. Aber warum ist eine solche Regelung im Urheberrecht von solcher Bedeutung für Bildung und Lehre in Deutschland?

Die Bedeutung der in § 52 a Urheberrecht kodifizierten Wissenschaftsschranke für den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland ist nicht zu unterschätzen. Nur durch diese Regelung ist es öffentlichen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland möglich, einen kleinen Teil eines geschützten Werkes zum Zwecke der Lehre einem begrenzten Personenkreis zugänglich zu machen. Der von fast allen Hochschullehrern an deutschen Hochschulen zum Einsatz kommende Semesterapparat – in analoger oder digitaler Form – ist hierfür das beste Beispiel. Aber auch die vereinzelte Kopie eines Fach- oder Zeitungsartikels, die von Lehrern den Schülern als ergänzendes Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt wird, wird von dieser Regelung erfasst. Selbstverständlich erfolgt dies nicht gänzlich kostenfrei. Vielmehr sieht das Gesetz hierfür eine unbürokratische Lösung in Form der pauschalen Vergütung der Urheber mittels der Verwertungsgesellschaften vor.

Anhand dieser Beispiele wird deutlich, welche zentrale Rolle diese Ausnahmeregelung im Urheberrechtsgesetz für Einrichtungen der Bildung und Lehre hat. Ohne den § 52 a Urheberrechtsgesetz wäre eine effektive und qualitativ hochwertige Lehre in Deutschland kaum denkbar.

Umso bedauerlicher ist es, dass den von dieser Regelung profitierenden Einrichtungen nicht dauerhaft Rechtssicherheit durch diese Bundesregierung geboten wird. Denn diese wichtige Regelung steht auf wackeligen Füßen: So wurde sie bei ihrer Einführung 2003 mit einer Befristung versehen, die den Zweck hatte, nach einer angemessenen Frist – von damals drei Jahren – die Regelung zu evaluieren und dann gegebenenfalls anzupassen bzw. zu entfristen. Nach erneuten Befristungen in den Jahren 2006 und 2008, das heißt nach nunmehr fast zehn Jahren, läuft die derzeitige Befristung zum Ende des Jahres aus.

Dies hat die SPD-Bundestagsfraktion zum Anlass genommen, um bereits vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der eine endgültige Entfristung dieser in der Praxis wohl bewährten Regelung vorsieht. Denn nur auf diese Weise kann für die betroffenen Akteure dauerhaft Rechtssicherheit geschaffen werden. Dabei folgt die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrer Forderung nach einer Entfristung nicht nur der Empfehlung der Allianz der Wissenschaftsorganisationen oder dem Bündnis für Urheberrecht. Vielmehr hat sich das Bundesministerium der Justiz bereits bei seiner Evaluation im Jahr 2008 für eine Entfristung der Regelung ausgesprochen. Umso verwunderlicher ist es, dass das gleiche Haus bei seiner dritten Evaluation erstmalig zur Auffassung kommt, von einer Entfristung zugunsten einer weiteren Befristung – es wäre die vierte in Folge – abzusehen, und dass es damit zu einem anderen Ergebnis kommt. Begründet wird diese abweichende Meinung mit der Empfehlung zur weiteren Befristung um zwei Jahre mit dem Hinweis, dass derzeit noch ein Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig ist, welches die Frage der Höhe der pauschalen Vergütung zwischen Nutzern im Hochschulbereich und den Rechteinhabern bzw. Verwertern endgültig klären soll.

Diese Bewertung ist nur schwer nachvollziehbar. Würde man eine solche Begründung zu Ende denken, dann hieße dies, dass der Gesetzgeber in jeder Sach- bzw. Rechtsfrage, die derzeit vor deutschen Gerichten verhandelt wird, für die Dauer des Verfahrens seinen gesetzgeberischen Gestaltungsanspruch aufgibt.

Das zuständige Fachressort scheint demnach in dieser Frage der Rechtsprechung Vorrang vor der Rechtsetzung zu geben, mit der Folge, dass das Primat der Politik vor der Judikative zurücktritt. Zwar ist es grundsätzlich begrüßenswert, wenn die Exekutive die verfassungsgemäße Unabhängigkeit der Judikative anerkennt, doch sollte just jenes Haus, welches die gesamte juristische Fachkompetenz der Bundesregierung bündelt, sich darüber im Klaren sein, dass das Richterrecht lediglich dazu dient, Unklarheiten in der Gesetzgebung zu klären – nicht jedoch die tatsächliche Gesetzgebung der Exekutive zu ersetzen. Allerdings ist eher davon auszugehen, dass das zuständige Ministerium sich seiner Kompetenz und Aufgabe bewusst ist. Vielmehr scheint hier die politische Spitze des Fachressorts die Uneinigkeit zwischen Bildungs- und Rechtspolitikern der Koalitionsfraktionen über die künftige Ausgestaltung des Urheberrechts mit fadenscheinigen Begründungen zu decken bzw. den durch Uneinigkeit geschwächten Koalitionsfraktionen mehr Zeit zu verschaffen.

Diese Uneinigkeit hat letztlich eine Handlungsunfähigkeit zur Folge, die den Interessen der Bildungs- und Wissenschaftslandschaft in Deutschland nicht gerecht wird. Diese Handlungsunfähigkeit hat etwa dazu geführt, dass der vorliegende Gesetzentwurf nur in allerletzter Minute seinen Weg ins Parlament gefunden hat. Abgesehen von dem Umstand, dass der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung erst unmittelbar vor Beginn der Ausschusssitzung übermittelt und somit eine inhaltliche Auseinandersetzung im parlamentarischen Raum erheblich erschwert wurde, werden die von der Regelung betroffenen Bildungseinrichtungen im Ungewissen gelassen, auf welcher rechtlichen Basis die Wissensvermittlung ihrer Lehrtätigkeit ab dem 1. Januar 2013 beruht. Zudem birgt diese Vorgehensweise die Gefahr, dass eine mögliche unerwartete Verzögerung im parlamentarischen Verfahrensablauf – man denke an dieser Stelle etwa an die Vorgänge rund um das Be-treuungsgeld – zu unabsehbaren Folgen für den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland führt. Dies scheint diese Regierungskoalition offenbar billigend in Kauf zu nehmen.

Es ist daher mit angemessener Bestürzung festzustellen, mit welcher Leichtfertigkeit diese Regierung und mit ihr die Koalitionsfraktionen das Wohl und Wehe der betroffenen Einrichtungen und der auf sie angewiesenen meist jungen Menschen in Bildungsfragen riskieren. Denn die Betroffenen haben in Fragen, die so grundlegend für ihre Arbeit sind, Anspruch auf Rechtssicherheit, sei sie befristet oder unbefristet.

Aber es wird offenbar Prinzip dieser Koalition, selbst in eindeutigen Angelegenheiten so lange zu feilschen, bis Probleme für die Betroffenen entstehen.