Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen

07.06.2013

Rede zu Protokoll des SPD-Bundestagsabgeordneten René Röspel am 07. Juni 2013 zur 2. Lesung des SPD-Antrags „Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen"; Deutscher Bundestag, 244. Sitzung, TOP 43

René Röspel (SPD):
Der heute zur Debatte stehende Antrag der SPD-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen“ greift sowohl Impulse der Europäischen Kommission als auch der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zum Thema Open Access auf. Die Diskussion um das Thema haben wir bereits einige Male sowohl im Ausschuss als auch im Plenum geführt. So habe ich selbst zuletzt am 29. September 2011 anlässlich des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema meine Auffassung und Standpunkte zum Themenkomplex Open Access zu Protokoll gegeben. Folglich verzichte ich an dieser Stelle darauf, nochmals in aller Ausführlichkeit den Open-Access-Ansatz zu erklären.

Die SPD-Bundestagsfraktion tritt seit Jahren für dieses für viele Menschen, aber auch für die Wissenschaft wichtige Thema ein, während die Merkel-Regierung diese Fragen genauso lange ignoriert bzw. blockiert. So haben die Koalitionsfraktionen nicht nur unserem Gesetzentwurf vom Herbst des letzten Jahres, in dem wir ein Zweitveröffentlichungsrecht für überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung festschreiben wollten, ihre Zustimmung im Ausschuss verweigert. Auch unser erneuter Vorstoß in Form des vorliegenden Antrags wird erneut abgeblockt. Einen triftigen Grund hierfür nennen die beiden Koalitionsfraktionen nicht. Die Gründe für dieses Verharren in Untätigkeit scheinen anderswo zu liegen.

Wie bereits in der Debatte hinsichtlich der Entfristung der in § 52 a Urheberrecht kodifizierten Wissenschaftsschranke deutlich wurde, hat diese Regierung ihren gesetzgeberischen Gestaltungsanspruch in Fragen des Urheberrechts in Wissenschaftsfragen längst aufgegeben. Offenbar aus der Furcht, sich verbindlich festlegen zu müssen, ist auch in allen Fragen rund um das Thema Open Access seitens der Regierungsfraktionen keine verbindliche Initiative zu spüren. Es scheint, als sei insbesondere in den Reihen der Unionsfraktion der Disput zwischen Wissenschaftspolitikern, die dem Thema Open Access offen gegenüberstehen, und den Rechtspolitikern der Unionsfraktion, die in rechtspositivistischen Dogmen verhaftet bleiben, noch nicht beigelegt. Ohne die Spekulation über Interna der Unionsfraktion zu weit zu treiben, ist klar, dass unter diesem fraktionsinternen Streit der Union der Wissenschaftsstandort Deutschland leidet. Denn der Versuch, lediglich mit Sollbestimmungen dem Problem beizukommen, die zudem nur Anwendung auf einen kleinen Teil der Wissenschaftslandschaft Anwendung finden sollen, wird den Bedarfen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unserem Land nicht gerecht.

Die Wissenschaft – nicht nur in Deutschland – hat seit über einem Jahrzehnt die Forderung an die Politik, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Open Access endlich zu schaffen. Denn gute Wissenschaft lebt vom offenen und ungehinderten Austausch von Informationen und Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung. Eine rechtliche Verankerung von Open Access im nationalen Urheberrecht stellt somit eine wichtige Rahmenbedingung für forschende Wissenschaftler in Deutschland dar. Insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung ist eine schnelle und ungehinderte Wissenskommunikation eine unabdingbare Voraussetzung für Innovation und Fortschritt. Ein zeitgemäßes und an den Bedarfen der Wissenschaft ausgerichtetes Urheberrecht ist demnach ein wichtiger Standortfaktor für Wissenschaft und Forschung. Dies hat – im Gegensatz zur Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen – auch die Europäische Kommission erkannt. Folgerichtig hat sie sich dazu entschieden, im künftigen 8. Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ die Open-Access-Publikation zum Regelfall zu erklären. Paradoxerweise unterstützt Deutschland bereits heute indirekt Open-Access-Publikationen über den European Research Council; denn Forschungsergebnisse, die mit Mitteln des ERC ermöglicht worden sind, müssen binnen sechs Monaten frei zugänglich gemacht werden. Warum nach Auffassung dieser Regierung national nicht das möglich sein sollte, was international bereits Standard ist, bleibt nicht nur mir verschlossen.

Die zögerliche Haltung der Koalitionsfraktionen bei diesem Thema ist umso verwunderlicher, als im Ausschuss die zuständigen Berichterstatter im Namen der Koalitionsfraktionen die Bedeutung der Open-Acces-Publikation betonen. Umso bedauerlicher ist es, dass trotz der Einsicht der beteiligten Berichterstatter sowohl der vorliegende Antrag als auch unser Gesetzentwurf vom letzten Herbst mit dem Hinweis abgelehnt wurden, dass seitens des BMBF künftig sogenannte Sollbestimmungen in den Förderrichtlinien aufgenommen werden sollen. Eine solche Argumentation bzw. Regelung kann nur als Placebo-Gesetzgebung bezeichnet werden, die den blinden Aktionismus dieser Bundesregierung beim Thema Urheberrecht entlarvt. Denn das Zugestehen einer Open-Access-Option an einen Fördermittelempfänger ist alles andere als die Schaffung von Rechtssicherheit mit den Mitteln der Gesetzgebung. Eine Politik dieser Art stärkt den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland jedenfalls nicht den Rücken. Zudem sei an dieser Stelle der Hinweis gestattet, dass eine Implementierung von Regelungen zu Open Access über die Förderrichtlinien des BMBF alles andere als eine saubere Form der Rechtssetzung darstellt; insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf Nachfrage im Ausschuss eine Veröffentlichung der besagten Passage aus dem Förderhandbuch abgelehnt wurde.

Wie dem auch sei: Bei dem Elan und der Arbeitsweise, den diese Bundesregierung in Fragen des Urheberrechts im Wissenschaftsbereich an den Tag legt, ist nicht mehr mit einem vernünftigen Ergebnis in dieser Legislatur zu rechnen. Dies ist bedauerlich! Doch die Aussicht auf eine neue Bundesregierung im Herbst, die sich aus fähigeren Koalitionsparteien konstituiert, lässt Hoffnung aufkommen.