Müller fordert sofortigen Ausstieg: „Atomkraft ist niemals friedlich“

19.04.2011

„Wir haben vier atomare Holocaust erlebt“, machte Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, deutlich: „zwei militärische und zwei zivile.“ Nicht erst seit Fukushima sei er davon überzeugt, dass der sofortige Ausstieg aus der „angeblich friedlichen“ Nutzung der Kernenergie notwendig sei. „Der ist möglich“, sagte der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium bei seinem Vortrag in der FernUni, die Kapazitäten aller deutschen Kraftwerke liege fast 60 Prozent über der Tageshöchstlast aller Verbraucher. Aber einfaches Abschalten reiche nicht, die Stromverteilung müsse neu geregelt werden. „Wir brauchen mehr Flexibilität und Regulierbarkeit“, forderte Müller, und das sei mit Großkraftwerken nicht zu machen.

Michael Müller, der als Vertreter der Bundesregierung an den Beratungen des UN-Weltklimarates teilnahm, machte den Auftakt zur Reihe „Energie - Klima - Umwelt“, bei der der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete René Röspel in Kooperation mit der FernUni im Laufe dieses Jahres namhafte Wissenschatler/innen zu Vorträgen und Diskussionen nach Hagen einlädt. Mehr als 80 Interessierte waren gekommen, um mit Michael Müller über „neues Denken gegen alte Macht“ zu diskutieren.
Für Müller ist klar, dass Klimaschutz nur im Dreiklang von Einsparen, Effizienz und Erneuerbaren Energien möglich ist, während das Geschäftsmodell der Atomkraftwerker auf hohen Stromverbrauch setzte und so die Entwicklung fortschrittlicher Technologien jahrzehntelang unterdrückt hat.
Atomkraft sei auch nicht friedlich, sondern „Gewaltausübung“. Seit Tschernobyl vor 25 Jahren gebe es in Deutschland eine „stabile Mehrheit“ gegen Atomenergie, trotzdem werde sie durch den Staat bis heute gefördert. Auch das Ausstiegsgesetz der rot-grünen Bundesregierung von 1998 sei nicht der richtige Ansatz gewesen, „das war ein Kompromiss mit den Kraftwerksbetreibern, aber nicht mit dem Volk“. Er selbst habe damals eine andere Position gehabt: „Genehmigungsvoraussetzung für alle AKW war es, dass ein sicheres Endlager gefunden wird. Das ist bis heute weltweit nirgends gefunden worden, also muss die Genehmigung zurück gezogen werden.“ Und das bedeute nicht „Ausstieg“, sondern „sofortiges Abschalten“.
Das gelte übrigens auch, wenn es Kanzlerin Merkel mit ihrem plötzlichen Sinneswandel „das einzige, was zählt, ist Sicherheit, dem muss sich alles unterordnen“ ernst meine. „Kein einziger deutscher Reaktor ist gegen einen Flugzeugabsturz gesichert“, merkte Müller dazu an.
Deutschland müsse den Atomausstieg dazu nutzen, seine Position als Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Energien auszubauen, forderte Müller. Aber gerade dabei sei die Bundesregierung „viel zu zögerlich“.
Beim nächsten Vortrag am Freitag, dem 6. Mai, um 17.30 Uhr in der FernUni spricht der Meteorologe Mojib Latif über „Herausforderungen des globalen Klimawandels“. Überschwemmungskatastrophen wie in Pakistan und Waldbrände wie in Russland seien nur eine „Blaupause für das, womit wir uns in der Zukunft anfreunden müssen“, sagt der wohl bekannteste Klimaexperten Deutschlands, der gern und häufig gesehener Gast in Fernsehstudios ist. Der Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel wurde im Jahr 2000 mit dem „Max-Planck-Preis für öffentliche Wissenschaft“ ausgezeichnet und erhielt 2004 den Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe für sein Lebenswerk. Der Eintritt ist frei. René Röspel bittet aber um Anmeldung auf seiner Homepage www.roespel.de/klima oder ab dem 2. Mai unter Telefon 02331 / 91 94 58.