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Nanotechnologie fördern - Rede zu Protokoll zu Grünen-Antrag

15.11.2007

Zu Protokoll gegebene Rede zum Grünen-Antrag "Nanotechnologie: Forschung verstärken und Vorsorgeprinzip anwenden" und Unterrichtung durch die Bundesregierung "Bericht der Bundesregierung zum Veränderungsbedarf des bestehenden Rechtsrahmens für Anwendungen der Nanotechnologie" (Drs. 16/6454) "Kooperation und Koordination im Europäischen Forschungsraum verbessern" vom 15. November 2007

Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein Professor soll einmal auf die Frage „Was ist Nanotechnologie?“ geantwortet haben: „Nanotechnologie ist mit einzelnen Molekülen Lego spielen.“ Als Familienvater weiß ich, was Kinder mit „Lego“-Bausteinen bereits alles konstruieren können. Wenn ein Professor davon schwärmt, müssen die Möglichkeiten also mindestens vergleichbar sein.

Nanomedizin, Nanoelektronik, Nanobiologie, Nanooptik – schon an dieser kurzen Aufzählung sieht man, was für Potenzial in diesem „Zwerg“ – die Übersetzung des griechischen Wortes „nano“ - steckt. Nano dehnt sich über die Grenzen der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hinweg aus. Sie ist eine wirkliche Querschnittstechnologie. Dabei umschreibt Nanotechnologie eigentlich nur eine physikalische Eigenschaft, nämlich die Größe, und stellt noch kein Endprodukt dar.

Fast keiner von uns kann sich heute sein Büro ohne Computer vorstellen. Der weltweit jährliche Umsatz in der Informationstechnologie ist gewaltig. Wobei Deutschland in diesem Feld leider weniger gut aufgestellt ist. Wenn man sich an die ersten, ganze Räume füllenden Computer erinnert, die einem Taschenrechner von heute nicht das Wasser reichen können, kann man ein Ziel erkennen: kleiner, leichter, leistungsfähiger. Prozessoren stellen dabei das Herz eines jeden Computers dar. Dank der mittlerweile im Nano-Bereich arbeitenden Technik, können immer kleinere Transistoren hergestellt und verbessert werden. Um das Jahr 2000 arbeitete man noch an Prozessoren über der magischen 100 nm Grenze. - Bei Nanotechnologie spricht man von Material kleiner als 100 Nanometer (nm). Ein Nanometer entspricht einen Milliardstel Meter. Im Vergleich dazu: ein menschliches Haar hat in etwa eine Dicke von 80 000 nm. - In den nächsten Tagen sollen bereits so genannte „45nm Prozessoren“ ausgeliefert werden. Dieser Chip ist mit ca. 731 Million Transistoren bestückt. Im September hat die Firma Intel bereits erste 300 mm Wafer vorgestellt, welcher im 32-nm-Fertigungsverfahren hergestellt wurde. Jeder einzelne Testchip vereint mehr als 1,9 Milliarden Transistoren auf einem Stück Silizium. Allein in diesem Teilbereich der Nanotechnologie steckt noch viel Potenzial. Genauso könnte ich aber auch Beispiele aus anderen Bereichen nennen.

Die Chancen der Nanotechnologie sind in Deutschland früh erkannt wurden. Bereits mit Beginn der 90er Jahre förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Nanotechnologie. Erstmalig gebündelt wurden diese Programme im Jahre 1999. 2003 stand Deutschland bei der öffentlichen Förderung weltweit mit ca. 293 Millionen € auf Platz 4 hinter den USA , Japan und der Europäischen Kommission. Auch die jetzige Bundesregierung setzt die Förderung der Nanotechnologie fort. So hat die Große Koalition 2006 zum Beispiel die “Nano-Initiative - Aktionsplan 2010„ gestartet. In der nächsten Haushaltswoche werden wir über die endgültigen finanziellen Zuwendungen für das Jahr 2008 für diesen Bereich beraten.

Mittlerweile kann man auch erste Erfolge feiern. Laut einer aktuellen Studie von Ernst&Young hat Deutschland europaweit die meisten Unternehmen, Mitarbeiter und Produkte bei medizinischen Nano-Anwendungen – ein ebenfalls sehr vielversprechender Bereich in der “Nanowelt„. Insgesamt seien deutschlandweit 66 Firmen in diesem Sektor tätig, mehr als 300 sind es weltweit. In ganz Europa sind bereits 80 medizinische Nano-Produkte auf dem Markt, 43 davon wurden in Deutschland entwickelt. Deutschland ist also gut aufgestellt.

Mit Nano wird mittlerweile gern geworben, auch wenn nicht immer Nanotechnologie drin steckt – wie zum Beispiel der “iPod nano„. Auch bei dem Versiegelungsspray “Magic-Nano„, welches im April 2006 auf Grund von Nebenwirkungen vom Markt genommen werden musste, wurden keine Nanopartikel verwendet.

Der “Bund für Umwelt und Naturschutz„ (BUND) hat in seinem Diskussionspapier zum verantwortungsvollen Umgang mit der Nanotechnologie richtig darauf hingewiesen “Eine einfache Bewertung von Nanopartikeln ist [..] schwierig, da genau diejenigen Eigenschaften, durch die ein potenzieller Nutzen entsteht, auch diejenigen sind, durch die ein mögliches Risiko begründet wird.„ Denn auf Grund der geringen Größe können die Partikel recht leicht in den menschlichen Körper eindringen bzw. sich dort ablagern. Auch haben Nanopartikel plötzlich ganz andere Eigenschaften, als die gleiche Substanz in größerer Dimension. Nicht-Toxische Materialen können toxisch wirken. Die genauen Auswirkungen sind bisher aber noch unklar. Problematisch erscheinen dabei aber besonders die freien Partikel. Dies stellt vollkommen neue Herausforderungen an den Arbeitsschutz bei Herstellung und Entsorgungen von Produkten.

Wie eine Studie aus dem Jahre 2006 in Nature Nanotechnology aufweist, ist die öffentliche Akzeptanz dieser Technologie maßgeblich für die Umsetzung der oben beschriebenen Potenziale. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass in der USA derzeit die öffentliche Wahrnehmung noch als neutral – da die Technologie noch zu unbekannt sei- beschrieben werden kann. Dieser Trend könnte aber relativ schnell in die eine oder andere Richtung umschlagen. Deshalb riefen die Wissenschaftler die Regierungen auf, die Chancen und Risiken der Nanotechnologie verstärkt in der Bevölkerung darzustellen. Der durch Deutschland fahrende “Nano-Truck„ des BMBF und Programme wie “NanoCare„ sind sicherlich die ersten Schritte, dieser Forderung nachzukommen.

Bereits 2004 hat die SPD aus ähnlichen Überlegungen heraus zusammen mit seinem Grünen Koalitionspartner in der Drucksache 15/3051 einen Bericht der Bundesregierung über den möglichen Veränderungsbedarf der relevanten Rechtsrahmen im Bereich Nanotechnologie bis 2005 eingefordert. Dieser Bericht liegt uns mittlerweile vor. Leider ganze zwei Jahre später als vom Parlament verlangt. Auf Grund des Wahljahres 2005 kann man eine gewisse Verzögerung nachvollziehen. Warum das Ministerium allerdings so lang für diesen Bericht gebraucht hat, leuchtet mir nicht ganz ein!
Als Hauptaussage des Berichts kann man zusammenfassen: “Nach derzeitigem Kenntnisstand sieht die Bundesregierung gegenwärtig grundsätzlich keinen Veränderungsbedarf bei bestehenden Gesetzen und Verordnungen aufgrund nanotechnologischer Entwicklungen. Ob im Einzelfall darüber hinaus nanotechnologische Sonderregelungen im Hinblick auf die gesetzgeberische Pflichten der Gefahrenabwehr und der Vorsorge erforderlich sind, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht entschieden werden.„ Dieser Aussage widersprechen die Grünen mit ihrem uns ebenfalls vorliegende Antrag. Den Argumenten für diese unterschiedlichen Positionen werden wir uns im Ausschuss widmen. Deshalb will ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Zufriedenstellend finde ich die Bewertung des Berichtes allerdings nicht.

Wichtig ist mir aber noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir uns derzeit in einer sensiblen Phase befinden, in der die Weichen für die “Nanowelt„ gestellt werden können. Um vernünftige und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können, benötigt man belastbare Information. Das bedeutet für den Bereich der Nanotechnologie verstärkte Grundlagenforschung, besonders im Bereich der Technikfolgeabschätzung. Richtigerweise müssen wir uns auch mit den möglichen Risiken befassen, seien sie technischer, medizinischer oder ethischer Natur. Dies ist nicht allein Aufgabe des Staates, sondern dabei ist auch die Industrie stärker gefragt! Beim Stichwort Industrie muss ich aber auch eine bekannte Forderung wiederholen. Die Mittel der Industrie müssen erhöht werden. In den USA und Japan gab die Industrie 2004 60 Prozent aller Gelder für Forschung und Entwicklung der Nanotechnologie aus. In der EU waren es gerade mal 25 Prozent aller Gelder. Ganz ehrlich, da stimmt etwas nicht mit der Verteilung!

Ebenfalls wichtig ist eine klarere Darstellung des Ist-Zustandes, also zum Beispiel eine Auflistung von Produkten auf dem Markt, in denen Nanopartikel bereits verwendet werden. Endlich geklärt werden muss ebenfalls die Begriffsbestimmung. Wie soll man der Bevölkerungen die Chancen und Risiken vermitteln, wenn man nicht mal 100prozentig sagen kann, worüber man überhaupt spricht!

Und um zu meinem Anfangszitat zurück zu kommen: Wir alle müssen dafür Sorgen tragen, dass mögliche negative Auswirkungen vermieden und die großen Möglichkeiten der “Lego-Bauten„ zum Nutzen für Mensch und Umwelt umgesetzt werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Die Schwerpunkte meiner Arbeit: