Mein Leserbrief zum Artikel „Der Wahlkampf startet am Küchentisch“, WP 26.6.2021

29.06.2021

Zum Artikel „Der Wahlkampf startet am Küchentisch“ in der WP am 26.06.2021 erklärt der heimische Bundestagsabgeordnete René Röspel:

Es scheint die perfide Strategie der AfD-Mitglieder zu sein, sich im persönlichen Umgang als ganz normale Bürger und sogar noch „nicht ausländerfeindlich“ und als wählbar darzustellen. Die Zielsetzung dieser Partei und vor allem das konkrete Handeln sind aber anders!

Diesen Verschleierungsversuch musste ich in den letzten vier Jahren im Bundestag konkret erleben. Während ich mit Opfern und Nachkommen der Nazi-Gräueltaten bei der Einweihung einer Gedenkstätte eines KZ in Minsk trauerte, machte das Wort des AfD-Vorsitzenden Gauland von den Nazis als „Vogelschiss der Geschichte“ die Runde. Der AfD-Landesvorsitzende Bernd Höcke entgleist regelmäßig als rechtsextremer Nazi, bezeichnet das Denkmal der ermordeten Juden Europas als „Denkmal der Schande“ und schürt mit vielen anderen geschickt verklausuliert Hass und Hetze gegen Minderheiten und Schwache.

Während die AfD öffentlich vortäuscht, sich für Arbeiter und kleinen Leute zu interessieren, macht sie in der Wirklichkeit das Gegenteil: Den lange von der AfD bekämpften Mindestlohn will sie jetzt nur deshalb „nicht abschaffen“ (Grundsatzprogramm) – aber eben auch nicht erhöhen! –, weil er in der Bevölkerung gut ankommt. Die AfD handelt tatsächlich gegen die Schwachen: Sie will z. B. Erbschafts- und Vermögenssteuer abschaffen und beantragt gleichzeitig die Kürzung des BAföG um ein Drittel – damit viele Kinder aus Arbeitnehmerfamilien nicht mehr studieren können (mit der Begründung, es gäbe zu viele (Medizin-!)Studierende!).

Warum kandidiert Herr Geitz für eine Partei, die in einer Anfrage an die Bundesregierung Behinderung mit Inzucht und Migration verknüpft – was zu einem Proteststurm von 18 Behindertenverbänden geführt hat, die „sich an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnert“ fühlen?

Wenn Herr Geitz  vorhandene Skandale von Parteien, Filz und verkrustete Strukturen kritisiert, steht die AfD in der sehr kurzen Existenz schon an der Spitze entsprechender Verfehlungen, wie die aktuellen Strafzahlungen zeigen. Nicht ohne Grund haben von den ursprünglich 2017 gewählten 94 Abgeordneten schon sechs (!) die Fraktion schnell verlassen!

Natürlich kann man inhaltlich anderer Meinung sein. Mit welcher Ignoranz AfD-PolitikerInnen allerdings den Klimawandel leugnen und mehr Atomkraftwerke und Kohlestrom fordern, ist schon bemerkenswert. Man kann ja wissenschaftliche Fakten ignorieren, aber vielleicht hätte Herrn Geitz auf dem 3-Türme-Weg der dramatische Zustand des Waldes auffallen können. Mit welcher Aggressivität AfDler auf die Gleichstellung von Mann und Frau reagieren, habe ich in der letzten Sitzung des Forschungsausschusses erlebt, in der die AfD massiv eine „geschlechtergerechte Impfstoffforschung“ ablehnte – wo mittlerweile doch jede/r vom gerade für Frauen (minimalen) Risiko für Thrombosen gehört haben sollte.

Über Inhalte kann und muss in einer Demokratie gestritten werden, aber jede/r Wählende sollte sich der eigenen Verantwortung bewusst sein: Es geht um die demokratischen Grundwerte unserer Gesellschaft wie Vielfalt, Freiheit und Gleichheit! Wer AfD wählt, wird kein einziges Problem lösen, trägt aber seinen Teil zur Spaltung der Gesellschaft und zu Verseuchung mit Hass und Hetze bei.

 

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