Sozialer Arbeitsmarkt: „Wir wollen dieses Projekt zum Erfolg führen“

10.12.2018
Über den sozialen Arbeitsmarkt diskutierten (von links) Andrea Henze (Jobcenter), Ralf Kapschack MdB, René Röspel MdB und Heidrun Schulz-Rabenschlag (Diakonie) mit Verantwortlichen von Berufsförderungsmaßnahmen, Gewerkschaften und Lokalpolitik.

In den vergangenen Jahren lieferte der Arbeitsmarkt regelmäßig positive Nachrichten. Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, mehr Menschen haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. „Allerdings kommt der Aufschwung längst nicht bei allen an“, weiß der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete René Röspel. Deshalb habe die SPD in der Großen Koalition einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt mit individuellen Unterstützungs- und Betreuungsangeboten durchgesetzt, dem in den kommenden Jahren zusätzlich vier Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Unter welchen Voraussetzungen dieses Instrument helfen kann, wurde bei einer Info-Veranstaltung, zu der Röspel ins „Kultopia“ eingeladen hatte, intensiv diskutiert.

Der Wittener Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschack, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, stellte zunächst das neue Gesetz vor, das am 1. Januar 2019 in Kraft tritt: „Wir fördern jetzt Arbeit statt Arbeitslosigkeit.“ Gerade Menschen, die zum Beispiel wegen ihres Alters, einer Krankheit oder als Alleinerziehende trotz der überaus guten Konjunktur keine feste Anstellung finden, sollen jetzt „in ganz normale Arbeitsplätze“ vermittelt werden, „und zwar zum Tariflohn“, wie Kapschack betont. Der Arbeitgeber kann dabei anfangs die vollen und danach bis zu fünf Jahren anteilige Lohnkosten erstattet bekommen. In dieser Zeit werden sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber betreut. Ziel ist es, dass die so geförderten Menschen anschließend möglichst in den „ersten Arbeitsmarkt“ übernommen werden.

Die Sozialleistungen (Hartz IV), die der so vermittelte Arbeitnehmer vorher bekommen hat, werden dann dem Jobcenter zur Verfügung gestellt. „Dadurch ergeben sich zusätzliche Fördermöglichkeiten, die anderen Arbeitslosen nützen“, sagte Kapschack. Er machte aber auch deutlich, dass dieses Gesetz ein Kompromiss sei, nicht alle Ideen habe die SPD in der Koalition durchsetzen können. So habe die CDU/CSU darauf bestanden, dass die Förderung maximal fünf Jahre dauert und durch das Gesetz keine Beschäftigung entsteht, aus der Ansprüche auf Arbeitslosengeld I entstehen. Das sei bedauerlich, aber ohne diesen Kompromiss hätte es „niemals einen sozialen Arbeitsmarkt gegeben“, merkte Kapschack an.

Heidrun Schulz-Rabenschlag von der Diakonie Mark-Ruhr beurteilte das Gesetz aus der Sicht eines Trägers, der die bisherigen immer zeitlich befristeten Bundes- und Europa-Programme angewendet hat. Aus ihrer Sicht fehlt noch „das wirkliche Umdenken“, denn nicht alle Menschen ließen sich in den „ersten Arbeitsmarkt“ integrieren, sie müssten auch nach den fünf Jahren gefördert werden.

„Auf dieses neue Begleitinstrument können wir alle stolz sein“, sagte Andrea Henze, Geschäftsführerin des Jobcenters Hagen. Zwar gebe es noch keine Ausführungsbestimmungen, aber trotzdem bereite man schon 500 Menschen auf das neue Programm vor. Auch mit Arbeitgebern sei man im Gespräch.

In der Diskussion mit den zahlreichen Besuchern gab es viel Lob für das neue Gesetz, aber auch Kritik an einzelnen Punkten. AWO-Geschäftsführerin Birgit Buchholz bemängelte, dass es keine Weiterbeschäftigungs-Garantie nach der Förderzeit gebe: „Dann landen die Menschen wieder da, wo sie vorher waren: in Hartz IV.“ Thomas Strauch von der Wittener Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigungsförderung (Wabe) forderte einen Paradigmenwechsel „vom arbeitsmarktgerechten Menschen zum menschengerechten Arbeitsmarkt“.

Ralf Kapschack wies darauf hin, dass dieses Gesetz „ein völlig neuer Ansatz“ sei, für den es keine Vergleichsmöglichkeiten gebe. Deshalb sei es „sicher nicht perfekt“ und müsse im Laufe der Zeit nachgebessert werden. Aber „wir haben nun einen Ansatz, ein Instrument, das jetzt eingesetzt werden muss“. Auch René Röspel rief dazu auf, das Gesetz mit aller Kraft anzuwenden: „Wir bieten jetzt langjährigen Hartz IV-Empfängern endlich eine Chance, für fünf und hoffentlich anschließend mehr Jahre einen Arbeitsplatz zu haben.“ Das sah auch Heidrun Schulz-Rabenschlag so: „Trotz aller Einzelkritik wollen wir alle, dass dieses Projekt zum Erfolg wird!“